Antikriegstag: Deutschlands Verpflichtung zum Frieden ‒ Verhandlungen statt Panzer, Kampfjets, Raketen und Wirtschaftskrieg

Redebeitrag auf der Kundgebung zum Antikriegstag 2023 in Heidelberg am Fr. 1. September 2023

Wir stehen heute, am Antikriegstag oder Weltfriedenstag hier, um an den Zweiten Weltkrieg zu erinnern, der vor 84 Jahren mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen begann. Weltweit wird am 1. September an diesen verheerendsten Krieg der Geschichte gedacht und eine auf Frieden ausgerichtete Politik eingefordert.

Doch leider herrschte in den letzten Jahren durchgängig in über 30 Ländern Krieg. Jetzt droht sogar ein Dritter Weltkrieg, wenn es nicht gelingt, die kriegerische Konfrontation in der Ukraine zu beenden. Gleichzeitig spitzen die USA und ihre Verbündeten auch die Konfrontation mit China gefährlich zu und drohen in Afrika neue Kriege.

Angesichts der vom deutschen Faschismus begangenen Menschheitsverbrechen ist der 1. September vor allem auch eine stete Mahnung an Deutschland, Verantwortung für den Frieden zu übernehmen ‒ insbesondere gegenüber den Menschen in der einstigen Sowjetunion, ukrainischen wie russischen. Leider wird die Bundesregierung dem nicht nur nicht gerecht, sie geht den gegenteiligen Weg.

Statt sich nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine um ein rasches Ende des Krieges zu bemühen, stieg Berlin im Gleichschritt mit seinen NATO-Verbündeten selbst in den Krieg ein und heizt ihn seither mit der Lieferung immer mehr und schwerer Waffen an. Dies obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz im April letzten Jahres noch vor der davon ausgehenden Gefahr eines Welt- oder gar Atomkrieges gewarnt hatte.

Kurze Zeit später, nach einem Treffen auf der Air Base Ramstein, zu dem Washington seine Getreuen zitierte, ließ er Haubitzen und Raketenwerfer liefern. Mittlerweile wurden sogar Dutzende schwere Leopard-Kampfpanzer an die Front in der Ukraine entsandt, dorthin, wo vor 80 Jahren ihre Vorgänger in der Wehrmacht „Panther“ und „Tiger“ gen Osten, gegen ukrainische und russische Soldaten rollten. Bald werden wohl Taurus-Marschflugkörper folgen, mit denen auch Ziele in Russland angegriffen werden können. Sie sei die „perfekte Waffe gegen die Krim-Brücke“, frohlocken deutsche Medien, wie Die ZEIT ‒ eine Brücke wohlgemerkt, über die vorwiegend ein normaler Personen- und Lieferverkehr fließt.

Die russische Vergeltung wird nicht ausbleiben, das ist die Logik von Kriegen, und weitere Zerstörungen in der Ukraine anrichten und Opfer kosten. Dabei zahlt die ukrainische Bevölkerung schon lange einen unsäglichen Preis und wird auch durch den Einsatz von Uranmunition und Streubomben noch Jahrzehnte unter den Folgen zu leiden haben. Bereits jetzt hat die UNO über 9.400 zivile Opfer seit Februar letzten Jahres in der Ukraine registriert. Die tatsächliche Zahl ist sicher wesentlich höher und die Toten in den Donbass-Republiken sind dabei nicht mitgezählt, wo in den 8 Jahren zuvor schon 14.000 Tote zu beklagen waren. Die Zahl der toten ukrainischen Soldaten wird laut New York Times auf 70.000 geschätzt, vermutlich ähnlich viele sind es auf russischer Seite.

Es ist längst ein Krieg der NATO gegen Russland geworden, ein militärischer und wirtschaftlicher, ein Krieg um Russland „zu ruinieren“, wie Außenministerin Baerbock das Ziel klar umriss. Es ist ein Abnutzungskrieg, in dem ukrainische Soldaten, von der NATO ausgebildet und finanziert, mit NATO- Waffen und -Aufklärung auf ukrainischem Boden kämpfen. „Wir führen derzeit die Mission der NATO aus, ohne dass sie eigenes Blut vergießen muss,“ brachte es der ukrainische Verteidigungsminister Alexei Resnikow im ukrainischen Fernsehen gut auf den Punkt.

Für diese Mission wollen EU-Länder auch noch F16-Kampjets zur Verfügung stellen. Da diese auch mit Atomwaffen bestückt werden können und die Bewaffnung von außen nicht zu erkennen ist, bezeichnet, Moskau sie als „Bedrohung im nuklearen Bereich“.

Marschflugkörper, atomwaffenfähige Kampfjets: die Hasardeure in Berlin und den anderen NATO-Staaten haben offensichtlich jegliche Hemmungen verloren und wollen um jeden Preis austesten wo die roten Linien Moskaus liegen und riskieren sehenden Auges die Eskalation in einen größeren, womöglich nuklearen Krieg.

Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden!

Selbstverständlich war der russische Einmarsch in die Ukraine ein Bruch des Völkerrechts, das wird auch von der überwiegenden Mehrheit der Staaten so gesehen, von Indien bis Kuba. Doch die Länder außerhalb Europas und Nordamerikas pochen jedoch gleichzeitig darauf, dass die in der UN-Charta festgelegten Normen keineswegs von anderen Staaten verlangen, in einen solchen Krieg einzusteigen, sondern vielmehr alles zu tun, ihn so rasch wie möglich zu stoppen. Dies ist daher auch der Tenor der diesbezüglichen UN-Resolutionen und daran orientieren sich die Initiativen Chinas, Brasiliens, der Afrikanischen Union, des Vatikans, Indonesiens und weiterer Länder für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen.

Ihre Vertreter, wie der brasilianische Präsident Lula da Silva oder die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor weisen darauf hin, dass der Krieg eine Vorgeschichte hatte und Folge der Konfrontationspolitik der USA und NATO gegen Russland ist, eine Folge vor der viele gewarnt hatten. Diese Vorgeschichte darf nicht, wie es nun im Westen Usus ist, beiseite geschoben werden, wenn es darum geht Ansätze zu entwicklen, den Krieg zu stoppen.

Das betonen auch vier prominente deutsche Experten in ihren vor ein paar Tagen veröffentlichen Vorschlag, wie ein Waffenstillstand und ein Verhandlungsfrieden erreicht werden könnte. Die Autoren sind neben dem Historiker Peter Brandt (ältester Sohn von Willy Brandt) und dem Politologen Hajo Funke auch der ehem. Bundeswehrgeneral und führende NATO-Militär Harald Kujat sowie Ex-Kohlberater und Leiter der Münchener Kriegstreiberkonferenz, Horst Teltschik ‒ also zwei, die alles andere als NATO-Kritiker sind. Doch auch sie gehen (gestützt auf Ausführungen von Jeffrey Sachs) davon aus, dass der Krieg hätte verhindert werden können, wenn eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ausgeschlossen und das Minsker Abkommen über eine Autonomie des russischsprachigen Donbass eingehalten worden wäre. Und auch ihrer Ansicht nach bestanden Anfang April letzten Jahres gute Chancen ihn durch die Verhandlungen in Istanbul wenigstens schnell wieder zu stoppen ‒ bis sie auf Druck von Washington und London abgebrochen wurden.

Auch sie betonen die Verpflichtung aus der UN-Charta für alle Länder zum Frieden. Die Legitimität der bewaffneten Selbstverteidigung entbinde die Regierung in Kiew und militärische Unterstützer „nicht von der Verpflichtung – nicht zuletzt gegenüber dem eigenen Volk –Vernunft walten zu lassen“, und sich nicht der „Steigerung von Gewalt und Zerstörung“ hinzugeben sondern die „Erlangung eines gerechten und dauerhaften Friedens politisch zu befördern“. Deutschland sei durch das Friedensgebot des deutschen Grundgesetzes sogar besonders dazu verpflichtet.

Während die vier Autoren Hinweise für Moskaus Verhandlungsbereitschaft aufführen können, sieht es damit in Deutschland, der EU und der vor allem maßgeblichen in Washington trübe aus. Obwohl allen klar sein dürfte, dass die Ukraine militärisch nicht gewinnen kann, sondern ihr vielmehr der Zusammenbruch droht, planen sie auf Jahre hinaus für zig Milliarden Waffen zu liefern ‒ bereit, wie es scheint, bis zum letzten Ukrainer, zur letzten Ukrainerin zu kämpfen.

Wir müssen daher unsere Proteste gegen die westliche Kriegspolitik verstärken und gesellschaftlich verbreitern ‒ gemeinsam mit allen die sich ehrlich und mit vernünftigen Argumenten dagegen engagieren wollen, wie gewohnt natürlich mit klarer Abgrenzung gegen faschistische, rassistische, sonst menschenverachtende Äußerungen in jeglicher Form.

Wir sind dabei keineswegs eine isolierte Minderheit. Doch tobt sich die Gegnerschaft vorwiegend in Kommentarspalten im Internet aus und wird nur ab und an durch die Zahl der Unterschriften unter Appellen sichtbar, wie die über 800.000 unter das von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht initiierte „Manifest für Frieden“. Dabei lehnt auch hierzulande die Mehrheit der Bevölkerung zumindest die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine ab und ist dafür, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden. Und vor allem international wächst der Druck für die Akzeptanz eines Kompromissfriedens und sehen sich insbesondere die EU-Staaten durch eine Verweigerung zunehmend an den Rand einer multipolar werdenden Welt gedrängt.

In Erinnerung an die deutsche Verantwortung aus dem Zweiten Weltkrieg fordern wir ganz konkret von Berlin:

  • Statt Waffenlieferungen an die Ukraine, echtes Engagement für Verhandlungen
  • Schluss mit der Aufrüstung! Keine weiteren Milliarden fürs Militär, sondern Abrüstung und Investition in Soziales, Gesundheit, Bildung, Klima- und Katastrophenschutz
  • Weg mit den Atomwaffen! Keine Atomwaffen auf deutschem Boden! „Nukleare Teilhabe“ beenden

Auch wenn der Krieg in der Ukraine im Fokus steht, dürfen wir natürlich die anderen Kriege und Konflikte und die dadurch verursachten Folgen nicht vergessen, die zum großen Teil verantwortlich sind für die ungeheure Zahl von mittlerweile 110 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen.

So wenden wir uns natürlich entschieden gegen die Pläne einer militärischen Intervention im Niger und gegen die Hungerblockade gegen dieses bettelarme Land.

Wir weisen auch auf katastrophale Lage der Menschen in Afghanistan hin, infolge des zwanzigjährigen Krieges sowie der Handels- und Finanzblockade gegen das Land. ‒ Wir verlangen ihr sofortiges Ende, Freigabe der afghanischen Milliarden auf westl. Konten und umfangreiche Wiedergutmachung.

Beendet werden müssen auch die verheerenden Wirtschaftsblockaden gegen alle anderen Länder, insbesondere Syrien und Jemen, aber auch die gegen Kuba, Venezuela, Iran und Nordkorea. Auch sie sind dafür verantwortlich, dass sich Millionen Menschen gezwungen sehen, ihr Land zu verlassen. Sie werden Jahr für Jahr in UN-Resolutionen verurteilt, weil sie überall die Versorgung der Bevölkerung stark beeinträchtigen, eklatant gegen ihre Menschenrechte, wie das Recht auf Freiheit von Hunger, auf eine gute Gesundheitsversorgung, auf einen angemessenen Lebensstandard und auf Entwicklung, verstoßen und Todesopfer fordern.

Selbstverständlich muss auch der Wirtschaftskrieg gegen Russland beendet werden, der die gesamte Welt massiv in Mitleidenschaft zieht, ganz besonders die Menschen in den ärmeren Ländern des Südens, aber auch die Armen in unserem Land. Er ist der Elefant im Raum, den niemand mehr erwähnen will ‒ von der Politik über die Medien bis zu den Gewerkschaften ‒ wenn es um die viel zu hohen Energiepreise und Inflation geht. Wir brauchen keine Energiepreis-Subventionen für Großunternehmen und Energiekonzernen, die seit Frühjahr letzten Jahres Rekordgewinne einfahren, sondern eine Reduzierung der Preise durch Import günstigeren Gas, u.a. durch die intakt gebliebene Röhre von Nordstream 2 und ein Ende der Preistreiberei durch Spekulation an den Börsen.

Wir lehnen die Politik der Konfrontation und der Wirtschaftskriege, wie sie auch gegen China betrieben wird, entschieden ab und setzen uns ein, für eine Politik der Entspannung, der gemeinsamen Sicherheit in Europa und der internationalen Zusammenarbeit zur Bewältigung der großen globalen Herausforderungen Frieden, Hunger, Klima- und Umweltschutz und gerechte Entwicklung.

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