Wirkungsweise der Finanzblockaden gegen Kuba

Beitrag für das Internationale Tribunal gegen die Blockade von Kuba, am 16./17. November in Brüssel

Die USA setzen unilaterale wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen seit langem und in zunehmenden Maß zur Durchsetzung ihrer außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen ein. Die schärfsten Waffen dabei sind Finanzrestriktionen.

Dazu zählen alle von der US-Exekutive auferlegten Beschränkungen von Kapitalflüssen, Kreditvergaben oder andere finanziellen Dienstleistungen mit Beteiligung ausländischer Privatpersonen, Einrichtungen oder Unternehmen, denen von Washington selbst Verstöße gegen  US-Regeln zur Last gelegt werden oder die in Ländern ansässig sind, gegen die ein umfassendes Embargo verhängt wurde. Das Spektrum der unilateralen Zwangsmaßnahmen reicht von der Untersagung bestimmter Transaktionen über das Sperren von Konten und Einfrieren aufgespürtem Vermögen in den USA bis hin zum vollständigen Ausschluss vom US- Finanzmarkt.

Grundlegende Wirkungsweise

Basis effektiver Finanzblockaden

Ihre enorme Wirksamkeit beruht auf der einzigartigen Machtposition der USA im internationalen Finanzsystem, die sich auf die Vorherrschaft des US-Dollars als globale Leit-, Reserve- und Transaktionswährung und die zentrale Rolle US-amerikanischer Finanzinstitute bei der Abwicklung von Transaktionen stützt. Die Nutzung schneller grenzüberschreitender Finanztransaktionen ist heutzutage für die meisten Wirtschaftsbereiche eines Landes von essentieller Bedeutung.

Finanztransaktionen zwischen Banken verschiedener Länder werden vorwiegend über SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) und das US-amerikanische Clearing House Interbank Payments System (CHIPS) durchgeführt.

Die in Brüssel ansässige SWIFT wickelt nicht selbst Zahlungen ab, sondern bietet Kommunikationsdienstleistungen zum Austausch von Informationen zu Finanztransaktionen in standardisierter Form bereit. Sie verbindet aktuell über 11.000 Finanzinstitute in über 200 Ländern. SWIFT ist eine Genossenschaft im Besitz der Mitgliedsbanken und an sich dem EU-Recht unterworfen. Da sie aber auf Zusammenarbeit mit US-Instituten angewiesen ist, ist sie von Washington erpressbar. So koppelte die Organisation 2018 den Iran ein zweites Mal von ihrem Zahlungsverkehr ab, obwohl die EU keine entsprechende Restriktionen mehr in Kraft hatte und das EU-Blockade-Statut an sich allen in der Union ansässigen Unternehmen die Befolgung extraterritoriale Rechtsvorschriften untersagt.

Ein solcher Ausschluss drohte Kuba bisher nicht. SWIFT übermittelt seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York aber vertrauliche Daten über Finanztransaktionen mit Bezug zu Kuba an US-amerikanische Behörden und unterstützt so auch deren Überwachung kubanischer Geschäfte.

Sofern Geschäfte in Dollar abgewickelt werden, benötigen ausländische Banken i.d.R. Korrespondenzkonten bei Banken in den USA. Solche Konten werden vorwiegend vom privatwirtschaftlichen CHIPS bereitgestellt. Es gibt nur wenige Alternativen dazu, wie das Clearing House Automated Transfer System der britischen Bank HSBC. Dollar-Transaktionen können zudem über den Fedwire Funds Service der US-Zentralbanken (Federal Reserve, FED) durchgeführt werden, der aber direkt einer staatlichen Regulierungsbehörde untersteht und sie zudem wesentlich teuer und aufwendiger macht. Töchter ausländischer Großbanken können auch Korrespondenzkonten unterhalten, unterliegen aber nach dem Dodd-Frank-Gesetz ebenfalls vollständig den Regularien der FED und darüber auch den US-amerikanischen Sanktionsvorschriften.[1] Die britische Barclays Bank beispielsweile wurde nach der Verabschiedung des Gesetzes im Juli 2010 innerhalb weniger Jahre zehn Mal vom Finanzministerium wegen Verstößen gegen US-Restriktionen abgestraft.[2]

Die USA haben eine Rechtsauffassung entwickelt, wonach sich jeder, der über ein US-Korrespondenzkonto Dollarzahlungen vornimmt, dadurch auf ihr Hoheitsgebiet begibt und so auch in den Geltungsbereich ihrer Gesetze und Direktiven. Auf diese Weise rechtfertigen sie die extraterritoriale Ausweitung ihrer Jurisdiktion auf Aktivitäten, die außerhalb der USA und ohne Beteiligung von im Land ansässigen natürlichen oder juristischen Personen stattfinden, inklusive der Durchsetzung sogenannter „Sekundärsanktionen“ gegen Drittstaaten.

Da immer noch über 85 Prozent aller weltweit getätigten Finanztransaktionen in Dollar abgewickelt werden, ist ein US-amerikanisches Korrespondenzkonto für international operierende Finanzinstitute überlebenswichtig. Über die Kontrolle der US-Finanzinstitute, über die sie abgewickelt werden, können die US-Behörden ausländische Unternehmen und Einzelpersonen, unabhängig davon treffen, wo sie sich befinden. Dies verschafft der US-Exekutive einen mächtigen Hebel zur weltweiten Durchsetzung ihrer Interessen.

Sie kann auf diese Weise nicht nur Finanzgeschäfte und den damit zusammenhängenden Handel oder sonstige Geschäfte einschränken oder blockieren, an denen US-amerikanischen Unternehmen direkt als Partner beteiligt sind, sondern auch einen sehr großen Teil derer, die nur, z.B. zur Zahlungsabwicklung, den Weg über US-Einrichtungen gehen müssen.

Die Maßnahmen bei Verstößen gegen US-Direktiven können vom Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge in den USA über die Verweigerung von Exportlizenzen, Krediten, Devisentransaktionen etc. bis zum kompletten Ausschluss vom US-Finanzmarkt reichen. Sie können auch Personen und Unternehmen aus Drittstaaten drohen, die gegen US-Embargovorschriften irgendwo in der Welt verstoßen.

Während klassische ökonomische Restriktionen, wie Import- und Exportbeschränkungen von Gütern und Dienstleitungen, eine breite internationale Unterstützung erfordern, um effektiv zu werden, können Finanzsanktionen auch ohne internationale Unterstützung durchschlagende Wirkung entfalten.

Durchführung

Finanzielle Restriktionen können auf Basis diverser Gesetze, Dekrete und Mechanismen verhängt werden. Dazu zählt der „Trading with the Enemy Act“ von 1917 (TWEA), der der Exekutive ermöglicht, Wirtschaftssanktionen gegen Gegner zu verhängen, sobald sie einen nationalen Notstand erklärt hat.

Die meisten unilateralen US-Zwangsmaßnahmen basieren auf Exekutivverordnungen, die unter dem „International Emergency Economic Powers Act“ (IEEPA) von 1977 angeordnet wurden. Mit diesem überträgt der Kongress, nach vorheriger Ausrufung eines nationalen Notstands, weitreichende Befugnisse auf den Präsidenten, der neben dem Verbot von Import und Export von Gütern, auch das von Finanzdienstleistungen anordnen kann, sowie die Sperrung von Konten. Aufgrund der Befugnisse, die ihm der IEEPA zubilligte, konnte Präsident Carter 1979 zum ersten Mal die unter US-Jurisdiktion stehende Vermögenswerte iranischer Personen und Unternehmen einfrieren lassen.

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Gesetze, wie den Atomic Energy Act (AEA) von 1954, den Arms Export Control Act (AECA) von 1976 und den Export Controls Act (ECA) von 2018, die im Finanzbereich aber kaum eine Rolle spielen.

„Primärsanktionen“

Alle oben genannten Gesetze bewirken zunächst sogenannte „Primärsanktionen“. Sie betreffen Transaktionen, die über die beteiligen Personen, Vermögen oder Aktivitäten einen direkten oder zumindest hinreichenden US-Bezug aufweisen und unmittelbar der US-Gerichtsbarkeit unterliegen. Dies kann zutreffen, wenn folgende natürliche oder juristische Personen am betreffenden Geschäft beteiligt sind:[3]

  • US-amerikanische Staatsbürger und Ausländer mit dauerhaftem Wohnsitz in den USA (unabhängig von ihrem Aufenthalt)
  • Personen, die sich in den Vereinigten Staaten aufhalten, unabhängig ihrer Nationalität
  • In den Vereinigten Staaten organisierte oder eingetragene juristische Personen (einschließlich ausländischer Zweigstellen oder Niederlassungen) und gemeinnützige Organisationen.

Zudem unterliegen aus US-Sicht jedoch auch in den USA tätigen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen der US-amerikanischen Jurisdiktion sowie Unternehmen mit Sitz im Ausland, die zu mindestens 50 Prozent (manchmal auch weniger) im Besitz oder unter der Kontrolle von US-Personen sind, d.h. für auch für Unternehmen, die eindeutig dem Recht anderer Landes unterliegen.[4]

Allen Genannten drohen harte Strafen oder, im Fall von ausländischen Unternehmen, erhebliche wirtschaftliche Nachteile, wenn sie wissentlich oder unwissentlich gegen Sanktionsregeln verstoßen.

Als US-Bezug genügt in der US-Sanktionspraxis schließlich auch, wenn gehandelte Produkte einen ausreichend großen Anteil US-amerikanischen Ursprungs enthalten. Oft reicht ein Anteil von 10 Prozent. Ein solcher US-Produktbezug wird sogar in der Verwendung des Dollars bei der Abwicklung gesehen. Des Weiteren können US-Behörden auch, wie schon erwähnt, bereits in der Nutzung des US-Finanzsystems einen US-Bezugs sehen.

„Sekundärsanktionen“

Seit den 1990er-Jahren wurden vom Kongress auch eine zunehmende Anzahl von Gesetzen beschlossen, die „Sekundärsanktionen“ anordnen. Damit sollen Unternehmen weltweit auch ohne hinreichenden US-Bezug in die Pflicht genommen werden. Adressaten sind daher ausländische natürliche und juristische Personen außerhalb der USA, die wirtschaftliche Beziehungen zu Personen oder Staaten unterhalten, die Ziel unilateraler „Primärsanktionen“ sind

Sie zielen vor allem darauf, die Umgehung von Primärsanktionen zu verhindern und deren Wirkung durch eine Ausweitung der Restriktionen auf Sachverhalte außerhalb der US-Jurisdiktion zu verstärken. Wenn Wirtschaftsakteure aus Drittstaaten ihre Wirtschaftsbeziehungen mit dem Zielstaat aufrechterhalten können, die US-amerikanischen aber nicht, werden letztere zwangsläufig vom dortigen Markt verdrängt. Dieser Substitutionseffekt untergräbt nicht nur die Wirkung der „Primärsanktionen“, sondern, aufgrund ihrer damit einhergehenden wirtschaftlichen Benachteiligung, auch deren Unterstützung durch heimische Unternehmen.

Im Finanzbereich zielen Sekundärsanktionen darauf, die internationalen Geschäftstätigkeiten der im Visier stehenden Personen und Unternehmen vollständig zu blockieren, indem Zahlungen und sonstige Transaktionen, die US-Sanktionen umgehen, („Umgehungsverbot“) sowie auch Investitionen im betroffenen Staat unterbunden werden.

Restriktionen im Zuge von „Primärsanktionen“, wie die Verweigerung des Führens von Konten bei US-Banken für Firmen bestimmter Länder, können noch als souveränes Recht der USA gesehen werden, zu entscheiden, für welche Ländern sie den Zugang zu ihren Finanzinstituten in welchem Umfang öffnen. Durchsetzungsmaßnahmen im Rahmen von „Sekundärsanktionen“, wie die Einziehung von Vermögenswerten oder das Erpressen von Strafzahlungen ohne ausreichenden US-Bezug der beanstandeten Transaktionen, wie bei der bloßen Verwendung des Dollars, sind aber nach Ansicht der meisten Staaten und Experten eindeutig illegal.[5]

Der extraterritoriale Vollzug US-amerikanischer Embargomaßnahmen obliegt diversen Behörden, die je nach Ziel dem Energieministerium, dem Handelsministerium, dem Finanzministerium oder dem Außenministerium angehören.

Für die Überwachung von Finanzrestriktionen ist das im US-Finanzministerium angesiedelte Office of Terrorism and Financial Intelligence zuständig und innerhalb dieser Abteilung vor allem das Office of Foreign Asset Control (OFAC). Dieses verwaltet die berüchtigte „Specially Designated Nationals and Blocked Persons List“ (SDN). Auf dieser Sperrliste werden aktuell rund 12.000 natürliche und juristische Personen geführt.[6]

Nach US-Recht ist jedem untersagt, mit einer Person oder Organisation in Geschäftsbeziehungen zu treten, die auf der SDN-Liste steht, auch außerhalb des Gebiets der Vereinigten Staaten. Das Verbot gilt auch für nichtgelistete Unternehmen, wenn 50 Prozent oder mehr der Eigentümer oder Anteilseigner von US-Zwangsmaßnahmen betroffen sind. Da Eigentümerstrukturen komplex sein können, müssen Unternehmen bei Auslandsgeschäften erhebliche Rechercheaufwände treiben, um die Gefahr von Strafzahlungen auszuschließen. Daher und weil ein Restrisiko bleibt, verzichten viele generell auf Geschäfte mit Firmen aus Ländern, die mit US-Restriktionen konfrontiert sind, auch wenn diese selbst keinen unterliegen.[7]

Obwohl sie einem Unternehmen leicht die wirtschaftliche Grundlage entziehen kann, können gegen die Verhängung und Umsetzung von Finanzrestriktionen meist keine Rechtsmittel in den USA eingelegt werden, da sie i.d.R. auf Notstandsverordnungen basieren.[8] Die Drohung mit einem Ausschluss vom US-Finanzmarkt reicht ohnehin meist aus, um Regressforderungen vor US-Gerichten abzuwehren.

Seit 2009 werden ausländische Banken verstärkt von den US-Behörden verfolgt, die zwar nicht gegen heimische Gesetze aber mit Transaktionen oder anderen Finanzdienstleistungen für Unternehmen oder Länder, die von den USA gesperrt wurden, gegen Finanzrestriktionen unter US-Jurisdiktion verstoßen haben. Bis Mitte 2014 sahen sich bereits 22, vorwiegend europäische Banken gezwungen, insgesamt rund 13,8 Milliarden US-Dollar Strafzahlungen zu entrichten. Der Löwenanteil entfiel mit 8,9 Milliarden auf die französische Bank BNP Paribas. Ihr wurde vorgeworfen zwischen 2004 und 2012 Geldtransfers für Unternehmen, die auf einer US-Sperrliste stehen, sowie mit Kuba, Iran und Sudan abgewickelt zu haben. Obwohl die Gegenparteien der Transaktionen keine US-Personen oder -Unternehmen waren, wurden sie als Verstoß gegen den IEEPA gewertet, da sie über US-Institute abgewickelt wurden.[9]

Banken und international tätige Unternehmen sehen sich nun seither gezwungen große Compliance-Abteilungen zu unterhalten, die ihr umfangreiches Spektrum an Kundeninformationen mit den langen Listen blockierter Personen und Organisationen abzugleichen. Um ihre Risiken zu minimieren, versuchen sie sicherzustellen, dass keiner ihrer Kunden Geschäfte mit sanktionierten Unternehmen macht oder in Ländern tätig ist, gegen die die USA umfassende Embargos („comprehensive sanctions“) verhängt hat.

Aufgrund der hohen Risiken für Finanzinstitute sind viele internationale Banken und Geldgeber außerhalb der USA dazu übergegangen, die Abgabe sogenannter OFAC-Klauseln („sanctions compliance provisions“) zu verlangen. Darunter werden Erklärungen von angehenden Geschäftspartnern verstanden, dass sie nicht auf die erwähnte Weise gegen US-Sanktionsrecht verstoßen haben und z.B. die bezogenen Gelder nicht für Tätigkeiten unter US-Embargo stehenden Ländern verwendet werden.[10]

„Terrorlisten“

Noch umfassendere Embargomaßnahmen gegen missliebige Staaten ermöglichen die vom Außenministerium geführten Listen von Ländern, die angeblich „den Terrorismus fördern“ („State Sponsors of Terrorism List“, SST) oder bei den Anti-Terror-Bemühungen der Vereinigten Staaten „nicht vollständig kooperieren“ („Countries Not fully Cooperating with United States Antiterrorism Efforts“, NFCC). Die Kriterien für eine Aufnahme in diese Listen sind nicht genau festgelegt. Der Kongress hat dem Außenminister einen großen Ermessensspielraum bei der Einstufung eingeräumt, so dass recht willkürlich eine große Bandbreite von unerwünschtem Verhalten anderer Staaten als Begründung herhalten kann. Auf den Listen stehen tatsächlich auch nur Länder, die Washington als Hauptgegner einstuft, aktuell Iran, Nordkorea, Syrien, Venezuela und Kuba.

Im Unterschied zu den hauptsächlich genutzten Listen, wie die SDN, die einzelne, natürliche und juristische, Personen enthalten, zielt ein Eintrag hier auf den gesamten Staat. Ursprünglich als Exportkontrollliste gedacht, die Lieferung von Waffen und andere militärischer Ausrüstung an bestimmte Staaten unterbinden sollte, wurde ihre Reichweite immer mehr ausdehnt. Über eine ganze Reihe von Rechtsvorschriften führen vor allem die Einträge in die SST zu sehr umfassenden Restriktionen. Dazu zählen u.a. auch das Verbot von Auslandshilfen und die Unterstützung durch internationale Finanzinstitutionen für die gelisteten Staaten.

Sie verpflichten die US-Regierung, sich gegen die Vergabe von Darlehen der Weltbank und anderer internationaler Finanzinstitutionen an gelistete Staaten zu stellen. Sie untersagen schließlich US-Bürgern und mehrheitlich von US-Amerikanern kontrollierten Unternehmen generell alle Finanztransaktionen, Kredite und andere Finanzdienstleistungen für alle Unternehmen dieser Länder.[11]

Die Einstufung als „Terrorismusförderer“ soll zudem auch Regierungen und Unternehmen von Drittstaaten davon abhalten, weiter Geschäfte mit gelisteten Staaten zu machen. Auch ausländischen Unternehmen und Einzelpersonen drohen, wie oben erwähnt, auch ohne direkten US-Bezug ihrer Geschäfte, bei Missachtung hohe Strafen.

Sie bedeutet zudem eine generelle Stigmatisierung, die Unternehmen und NGOs weltweit signalisieren soll, dass jegliches Engagement mit diesem Staat als Tabu zu gelten hat, selbst dann, wenn keine US-Vorschriften direkt dagegenstehen. Zu den rechtlichen Unsicherheiten durch die Vielfalt der Vorschriften kommt so auch noch ein Reputationsrisiko.

Die Aufnahme eines Landes in die SST ist daher rechtlich wie auch politisch von großer Tragweite. Aus diesem Grund und weil die gesamte Breite der Auswirkungen kaum absehbar ist, vollzieht Washington diesen Akt auch nur bei Staaten, zu denen die USA faktisch keine wirtschaftlichen und politische Beziehungen mehr unterhalten.

Überwachungsapparat

Um Konten und Transaktionen ins Visier geratener Personen, Unternehmen oder Staaten regulieren zu können, müssen sie zunächst aufgedeckt und auch mögliche Tarnfirmen und Umgehungen ausfindig gemacht werden. Dazu arbeiten diverse US-Behörden und das FBI zusammen, die sich bei der Überwachung internationaler Finanzströme nicht zuletzt auch auf Daten stützen können, zu deren Herausgabe die ihnen international agierende Finanzinstitute gezwungener Maßen zur Verfügung stellen müssen.

Schon seit den 1980er Jahren wurden in den USA umfangreiche Maßnahmen zur Überwachung von Transaktionen in Kraft gesetzt, offiziell vor allem im Rahmen der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Nach dem 9.11.2001 erweiterte der Kongress mit dem „USA Patriot Act“ vom 26. Oktober 2001 die rechtlichen Möglichkeiten zur Überwachung von Geldtransaktionen erheblich und schuf damit auch die Grundlage für eine massive Ausweitung von US-Finanzrestriktionen. Er verschärfte die Aktenaufbewahrungs-, Auskunfts- und Dokumentenherausgabepflichten von Unternehmen drastisch und räumt in Absatz 311 explizit die Möglichkeit ein, ausländische Akteure vom US-Finanzsystem komplett auszuschließen.[12]

US-Embargo gegen Kuba

Die US- Blockadepolitik gegen Kuba basiert auf einem umfangreichen Bündel von Gesetzen, darunter auch die schon erwähnten, insbesondere der Trading with the Enemy Act TWEA und der International Emergency Economic Powers Act IEEPA. Kuba ist das einzige Land, für das der TWEA noch in Kraft ist.

Der Kongress hatte 1977 die Befugnisse des Präsidenten durch den TWEA eingeschränkt, jedoch seine zeitweise Fortsetzung zur Aufrechterhaltung von Wirtschaftssanktionen gegen bestimmte Länder gestattet. Der Präsident kann sie mit einer entsprechenden „Bestimmung“ (Presidential Determination) jeweils um ein Jahr verlängern, in der er feststellt, dass das Embargo gegen das betreffende Land weiterhin im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten liegt. Seit 1978 haben dies gegen Kuba alle US-Präsidenten im Rahmen von TWEA Memoranden oder präsidialen Entscheidungen getan. Im September 2023 hat Präsident Joseph Biden, die im Rahmen dieses Gesetzes gegen Kuba verhängten Maßnahmen erneut verlängert. [13]

Darüber hinaus sind gegen Kuba noch spezielle Gesetze und Verordnungen in Kraft. Für Finanzrestriktionen relevant sind: [14]

  • Der Foreign Assistance Act von 1961 ermächtigt den US-Präsidenten, ein vollständiges Handels-Embargo gegen Kuba zu verhängen. Er legt zudem fest, dass die Mittel der US-Regierung, die für internationale Hilfen bestimmt sind und an internationale Organisationen gehen, nicht für Programme im Zusammenhang mit Kuba verwendet werden dürfen.
    Mit dem Präsidialerlass 3447 vom 3. Februar 1962 verfügte Präsident John F. Kennedy in diesem Rahmen ein vollständiges Handels-Embargo zwischen den USA und Kuba.
  • 1963 verabschiedeten die USA im Rahmen des TWEA die Cuban Assets Control Regulations (CACR) mit dem erklärten Ziel, „die kubanische Regierung wirtschaftlich zu isolieren und sie des US-Dollars zu berauben“.[15] Sie sahen unter anderem das Einfrieren aller kubanischen Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten, das Verbot aller finanziellen und kommerziellen Transaktionen ohne explizite Genehmigung der zuständigen US-Behörden und das Verbot für alle natürlichen oder juristischen US-Personen vor, Transaktionen in US-Dollar mit Kuba durchzuführen.
  • Der Cuban Democracy oder Torricelli Act von 1992 verbietet Tochtergesellschaften von US-Unternehmen in Drittländern neben dem Handel mit Waren aus Kuba oder von kubanischen Staatsangehörigen auch Finanzdienstleistungen.
  • Der Cuban Liberty and Democratic Solidarity oder Helms-Burton Act von 1996 kodifiziert die Bestimmungen der Blockade und erweitert ihren extraterritorialen Geltungsbereich, indem er z.B. Sanktionen gegen Geschäftsführer ausländischer Unternehmen vorsieht, die Transaktionen mit in Kuba verstaatlichtem US-Eigentum durchführen, sowie die Möglichkeit für US-Bürger, vor US-Gerichten Klage gegen ausländische Firmen zu erheben. Er schränkt zudem die Befugnisse des US Präsidenten ein, Blockademaßnahmen auszusetzen.

Im Laufe der Jahre wurden weitere Verordnungen erlassen, mit denen die bestehenden Bestimmungen geändert und erweitert wurden. Das Ergebnis ist ein komplexes Geflecht von sich überschneidenden Rechtsvorschriften, das kaum zu durchschauen ist.

Verbot von „U-Turn-Transaktionen“

Unter Präsident Obama waren einige Restriktionen ausgesetzt worden. U.a. hatte er US-Banken die Genehmigung erteilt, sogenannte „U-Turn-Transaktionen“ mit kubanischer Beteiligung abwickeln zu können, d.h. Geldtransfers, die außerhalb der Vereinigten Staaten erfolgen und enden.

Dies ermöglichte es kubanischen Unternehmen, die mit Nicht-US-Firmen Geschäfte machen, Zugang zu US-amerikanischen Korrespondenz- und Zwischenbanken zu erhalten und somit am mit US-Dollar am globalen Handel teilzunehmen. Sein Nachfolger Donald Trump hob diese Genehmigung am 9. September 2019 jedoch wieder auf. Damit wurde den US-Banken erneut auch die Bearbeitung von Transaktionen ohne direkte US-Beteiligung untersagt und kubanische Einrichtungen und Unternehmen wieder effektiv von Dollar-Transaktionen abgeschnitten.

Mit der Aufnahme des kubanischen Finanzdienstleisters FINCIMEX in die Liste der gesperrten kubanischen Einrichtungen im Juni 2020, mitten in der Covid-19-Pandemie, fielen auch die wichtigsten regulären Überweisungskanäle für kubanische Familien weg. FINCIMEX ist der zentrale kubanische Partner ausländischer Kreditkartenunternehmen und des Geldtransferunternehmens Western Union über den Kubaner in den USA Geld an ihre Angehörigen auf der Karibikinsel senden konnten. Diese Geldsendungen beliefen sich zuletzt auf bis zu sechs Milliarden US-Dollar pro Jahr.[16]

Helms-Burton Act

Das Helms-Burton-Gesetz hat auch Finanzrestriktionen verschärft und droht bei Verstößen gegen sein  Verbot jeglicher, auch indirekter Finanzierung zugunsten Kubas, auch Sekundärsanktionen an. Durch die Aktivierung des bisher von allen US-Präsidenten außer Kraft gesetzten Abschnitt III des Gesetzes, wurde die extraterritoriale Wirkung nochmal massiv ausgeweitet. Er räumt allen US-Bürgern, inklusive später eingebürgerter Exilkubanern, das Recht ein, ausländische Firmen vor US-Gerichten wegen der Nutzung von nach der Revolution enteignetem Eigentum zu verklagen. Dadurch sind alle ausländischen Personen und Unternehmen bedroht, die Geschäfte tätigen, in die auf irgendeine Weise, in nach der Revolution enteignetes Eigentum, wie Hotels oder andere Immobilien, verwickelt ist. Im Gesetz werden in Frage kommende Fälle als „trafficking“, d.h. als eine Art Schwarzhandel, Schmuggel oder Hehlerei bezeichnet. Dies ist jedoch sehr weit gefasst. Auf Schadenersatz verklagt werden kann jeder der „eine Geschäftstätigkeit unter Verwendung von beschlagnahmtem Eigentum ausübt oder anderweitig davon profitiert; oder den beschriebenen Handel durch eine andere Person fördert oder anleitet oder daran teilnimmt oder davon profitiert oder sich anderweitig an einem solchen Handel durch eine andere Person beteiligt.“ [17]

Dadurch sind nicht nur direkte kommerzielle Transaktionen mit beschlagnahmten Gütern erfasst, sondern auch Geschäfte mit anderen Unternehmen, die an solchen Transaktionen beteiligt sind. Und unter „Handel“ werden theoretisch auch Aktivitäten verstanden, die nur am Rande mit beschlagnahmten Gütern zu tun haben. Beispielsweise könnten, wenn Verkäufer von beschlagnahmten Gütern, den Erlös aus dem Verkauf dazu verwenden, Waren zu kaufen, deren Anbieter als „Trafficker“, als Hehler betrachtet werden, auch wenn diese nichts mit solchen Gütern zu tun haben.[18] Unter „trafficking“ kann so auch die Vergabe von Krediten oder die Durchführung von Transaktionen fallen, die beispielsweise im Zusammenhang mit der Nutzung, auch indirekter, von vor 60 Jahren vergesellschafteten Immobilien stehen.

Jedes Unternehmen, das jetzt mit Kuba Handel treibt oder von Geschäften mit anderen Parteien profitiert, die mit Kuba Handel treiben, ist nun ein potenzielles Ziel für Ansprüche nach Abschnitt III. Angesichts des Umfangs der darunter fallenden Aktivitäten sind Unternehmen gezwungen, alle Arten von direkten und indirekten kommerziellen Aktivitäten unter die Lupe zu nehmen, an denen sie beteiligt sind und bei denen Kuba involviert ist. Sie müssen nicht nur die Geschichte von Eigentumsverhältnissen ermitteln, sondern auch prüfen, ob Erlöse aus beschlagnahmtem Eigentum oder von Händlern, Vermietern etc. bzgl. solchen Eigentums stammen.

Da solche Prüfung sehr aufwendig sind und Restrisiken bleiben, hält dies internationale Unternehmen generell davon ab, weiter in Kuba Geschäfte zu machen.

„State Sponsors of Terrorism List”

Die Trump-Administration hat Kuba schließlich im Januar 2021 auch erneut auf die oben erwähnte „State Sponsors of Terrorism List“ (SST) gesetzt, aus der Obama das Land gestrichen hatte, und so alle damit verbundenen umfangreichen Embargoregeln reaktiviert. Teils überlappen sich diese mit den sonstigen Embargomaßnahmen, teils jedoch erweitern sie sie. Selbst wenn einzelne Zwangsmaßnahmen aufgehoben würden, würden daher viele Restriktionen bestehen bleiben, solange Kuba auf dieser Liste steht. Die Aufnahme hat zudem eine abschreckende und einschüchternde Wirkung und verstärkt die extraterritoriale Komponente der Blockade.

Im Mai 2021 setzte das US-Außenministerium Kuba auch noch auf die List der Länder, die „nicht vollständig mit den Bemühungen der USA zur Terrorismusbekämpfung kooperieren“.  Die aktuelle Biden-Regierung hat an den Blockadeverschärfungen der Trump-Administration noch nichts geändert.

Die Aufnahme in die SST-Liste hindert kubanische Personen, Unternehmen und Einrichtungen nun daran, Bankkonten im Ausland zu eröffnen, Instrumente für internationale Einzüge und Zahlungen zu nutzen, Dienstleistungen von Fintech-Unternehmen zu nutzen oder Verträge über Online-Dienstleistungen abzuschließen.

Selbst Kubanern mit Wohnsitz in der Europäischen Union wurden Bankkonten verweigert oder bestehende Konten eingefroren, da sie aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit als „Hochrisikokunden“ gelten.[19]

Banken, Finanzinstitute, Unternehmen und Investoren aus Drittstaaten zögern nun grundsätzlich, weiter Geschäfte mit Kuba zu machen, eine Praxis, die als „over-compliance“ bezeichnet wird. Dies führt zu Vertragsauflösungen und Vertragsbrüchen, zum Verlust von Beziehungen zu Finanzunternehmen, die normalerweise mit kubanischen Unternehmen zusammenarbeiten, zu Verschuldung und zu Verzögerungen beim Versand und Empfang von Geldern und Waren. Europäische Banken verweigern zunehmend Transaktionen und veranlassen Rücküberweisungen, mit der Berufung auf US-Vorschriften oder interne Richtlinien.[20]

So blockiert die SWEDBANK Estland Zahlungen in Euro an die Habanos Nordic, eine Vertriebsfirma für kubanische Zigarren mit Sitz in Schweden, mit der Begründung, dass derartige Zahlungen gegen ihre Risiko-Richtlinie verstießen und nicht mit den Grundsätzen und Zielen der Umsetzung internationaler Sanktionen vereinbar seien. Die Santander Bank Uruguay weigerte sich Zahlungen für eine Lieferung von Alfalfa-Mehl eines argentinischen Unternehmens zu bearbeiten, da sie angewiesen sei, keine Gelder von Unternehmen des kubanischen Staates entgegenzunehmen.[21]

Ausländische Banken weigern sich zudem mittlerweile, Zugangscodes bei SWIFT anzufordern und bestehende weiter zu speichern. Diese sind jedoch für elektronische Überweisungen und die Kommunikation zwischen Banken unerlässlich. Sie sind eine Grundvoraussetzung für die Eröffnung von Konten bei Banken in Drittländern.

Die Aufnahme in die Terrorliste schafft zudem zusätzliche Hindernisse für die Bereitstellung humanitärer Hilfe. Banken, Finanzinstitute und internationale Händler haben auch die Zusammenarbeit mit Organisationen, die Kuba humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe leisten wollen, eingestellt. Aus Sorge als Unterstützer eines Landes zu erscheinen, das als „Terrorismusförderer“ gebrandmarkt wurde und aus Angst vor den hohen Geldstrafen, die ein möglicher Verstoß nach sich ziehen kann, weigern sich die meisten Banken auch deren Zahlungen mit Kubabezug zu bearbeiten. Einige haben auch eigenmächtig Gelder für erlaubte religiöse und humanitäre Aktivitäten eingefroren und gaben sie erst nach einer expliziten Genehmigung durch das OFAC frei, deren Beschaffung sehr aufwendig ist.[22]

Auswirkungen im Finanzbereich

Nach Angaben der kubanischen Zentralbank in ihrem Bericht vom August 2023 haben die USA während der Amtszeit von Donald Trump die Blockade mit der Verhängung von 243 Maßnahmen verschärft. Unter seinem Nachfolger Joe Biden wurden im finanziellen Bereich lediglich die Restriktionen für Überweisungen aus den USA aufgehoben, und es wurden Ausnahmen für Überweisungen von Spenden hinzugefügt, die an Personen ohne familiäre Bindungen geschickt werden können.

Zu den Hauptschäden des Embargos für das kubanische Banken- und Finanzsystem zählen die Wechselkursverluste. Das Verbot der Verwendung des US-Dollars bei Bankgeschäften mit dem Ausland verursacht täglich Zusatzkosten für kubanische Bank- und Finanzinstitute aufgrund der Wechselkursunterschiede, die dadurch entstehen, dass andere Währungen für Ein- und Auszahlungen im Lande verwendet werden müssen. Dadurch haben Auf- und Abwertungen des US-Dollars negative Auswirkungen auf den kubanischen Außenhandel.

Die Zentralbank schätzt die Verluste Kubas allein dadurch im Berichtszeitraum vom März 2022 bis Februar 2023 auf 280,2 Mio. US-Dollar.[23]

Höhere Zinssätze aufgrund des embargobedingten Länderrisikos führen zu weiteren Verlusten, wie auch eine importierte internationale Inflation. Auch der Mangel an traditionellen Krediten erhöht die Kosten. Den gesamten direkten und bezifferbaren Schaden im Finanzbereich schätzt die Zentralbank auf 358,3 Millionen US-Dollar.

Der Schaden, der durch Schwierigkeiten Kubas bei der Beschaffung von Devisen für Importe und Investitionen entsteht, ist nicht kalkulierbar.[24]

Hinzu kommt dem Bericht zufolge, die steigende Zahl kubanischer Bankkonten bei ausländischen Finanz- und Bankinstituten, die gekündigt werden, sowie die Zunahmen der Einschränkungen ihrer Geschäfte mit Kuba

„Der Wegfall und die Einschränkung der Dienstleistungen von Korrespondenzbanken haben finanzielle Auswirkungen, die schwer zu beziffern sind, die sich aber in Form höherer Kosten für kubanische Banken und Importeure auswirken, die gezwungen sind, ihre üblichen Zahlungs- und Einzugsverfahren zu ändern.“

Die Zahl der ausländischen Banken, die sich aus verschiedenen Gründen weigerten, Geschäfte mit kubanischen Banken zu tätigen, stieg zwischen März 2022 und Februar 2023 auf 130. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 267 negativer Aktivitäten ausländischer Banken festgestellt, darunter die Schließung von Bankkonten oder die Weigerung, neue Konten zu eröffnen, die ständige Rückbuchungen von Überweisungen aufgrund der Weigerung, Bankdienstleistungen zu erbringen, die Löschung der für den Austausch von Finanzinformationen über SWIFT nötigen Zugangscodes sowie die Kündigung von Korrespondenzbankvereinbarungen.

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Gegenmaßnahmen der EU ‒ das „Blockade-Statut

Die beiden 1996 von US-Präsident Bill Clinton unterzeichneten Gesetze, mit denen die Anwendung US-amerikanischer Blockadevorschriften gegen Kuba sowie Iran und Libyen unmittelbar auf Drittstaaten ausgeweitet werden sollen ‒ das „Helms-Burten-Gesetz“ und der „Iran-Libya Sanctions Act“ (ILSA) stießen weltweit auf Proteste und Widerstand. Die EU erließ als Reaktion darauf die Verordnung 2271/96 „zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte“. Demnach werden Urteile ausländischer Gerichte, die zur Durchsetzung der Sanktionen verhängt werden, in der EU nicht anerkannt. Als die Trump-Administration im Mai 2018 einseitig aus dem 2015 geschlossenen Wiener Atomabkommen über das iranische Nuklearprogramm ausstieg und die extraterritorialen Sanktionen gegen den Iran reaktivierte und ausweitete, erneuerte die EU-Kommission die Verordnung.

Dieses „Blockade-Statut“ verbietet EU-Bürgern und -Unternehmen sogar explizit extraterritoriale Rechtsvorschriften sowie darauf basierende Entscheidungen, Urteile oder Schiedssprüche zu befolgen. Für den Fall, dass Wirtschaftsteilnehmern aus der EU dadurch Schaden erleiden, ermöglicht ihnen die Verordnung, Schadenersatz von den dafür verantwortlichen US-Stellen zu fordern und vor Gerichten in der EU einzuklagen. Die Beitreibung könnte theoretisch in Form der Beschlagnahme von US-Vermögen in der EU erfolgen. Bisher ist aber kein solcher Fall bekannt.

Die EU-Kommission kann im Fall drohender schwerer Schäden für einen Wirtschaftsteilnehmer auch Ausnahmen von dem Verbot genehmigen.

Das „Blockade-Statut“ hat in allen EU-Mitgliedsstaaten Gesetzescharakter. Deutschen Firmen, verbietet an sich auch schon die deutsche Außenwirtschaftsverordnung (§7 AWV), sich an Boykotten zu beteiligen, die ihnen von ausländischen Regierungen aufgezwungen werden.

Nach deutschem Recht kann ein Verstoß gegen diese Blocking-Verordnungen als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 EUR geahndet werden. Dies unterliegt jedoch dem Opportunitätsprinzip, d.h., eine Verfolgung der Ordnungswidrigkeit liegt im Ermessen der zuständigen Behörde.[25]

Tatsächlich blieben die Verordnungen in Deutschland, wie in der übrigen EU, weitgehend wirkungslos. Versuche, sie effektiv durchzusetzen, sind nicht zu erkennen. Eine Schwierigkeit in ihrer Anwendung liegt bereits darin, zu belegen, dass der Rückzug von europäischen Unternehmen von Geschäften mit Ländern, gegen die Washington Blockadevorschriften verhängte, keine freiwillige unternehmerische Entscheidung war.

Hier hat allerdings der EuGH im Rahmen eines Verfahren der iranischen Melli Bank gegen die deutsche Telekom entschieden, dass er eine Beweislastumkehr für angebracht halte, wenn „alle Beweismittel, über die ein nationales Gericht verfügt, auf den ersten Blick darauf hindeuten“ dass der Wirtschaftsteilnehmer, den extraterritorialen Sanktionsvorschriften eines Drittstaates nachgekommen ist.

Vor allem fehlen wirksame Vorkehrungen der EU, Betroffene tatsächlich wirksam zu schützen.

„Ein umfassender Schutz der deutschen und europäischen Unternehmen“ könne „aufgrund ihrer Wirkungsweise nicht sichergestellt werden“, bestätigte auch die Bundesregierung auf eine Frage aus der Linksfraktion. „Die Rechtsfolgen treten ausschließlich in den USA ein und betreffen ausschließlich dort befindliches Vermögen“, die „Maßnahmen zum Schutz europäischer Unternehmen“ hingegen „bleiben beschränkt auf den Rechtsraum der EU.“ [26]

Tatsächlich geraten europäische Unternehmen durch die Blocking-Verordnung aktuell nur in eine Zwickmühle, in der sie die Kosten für die Nichtbefolgung der US-Vorschriften oder des EU-Rechts abwägen müssen. Der EuGH ging im oben erwähnten Verfahren ausführlich auf den Zwiespalt ein. 

Die Telekom hatte nach der Reaktivierung und Verschärfung des Iranembargos durch Trump ihre Dienstleistungsverträge mit der Melli Bank gekündigt, nachdem diese auch auf die SDN-Sperrliste gesetzt worden war. Offensichtlich wollte sie so eine kostspielige Abstrafung in den USA vermeiden, wo sie die Hälfte ihrer Geschäfte tätigt. Mit Blick auf solche Verwundbarkeiten europäischer Banken und Konzerne wies der EuGH auf den Verhältnisgrundsatz hin. Unverhältnismäßig hohe wirtschaftliche Auswirkungen könnten der Verpflichtung entgegenstehen, den Vertrag durchzuführen. Die Telekom hätte sich aber zunächst um eine Ausnahmegenehmigung bemühen müssen.[27]

Selbst wenn EU-Staaten Verstöße gegen ihr Verbot stärker ahnden würden, wären in der Regel die Kosten für den Verstoß gegen US-Regel i.d.R. wesentlich höher. Faktisch halten sich die meisten Banken und Unternehmen lieber an die US-Vorschriften und das Blockade-Statut ist daher kaum mehr als ein bloßes Symbol dafür, dass die EU mit der extraterritorialen Anmaßung US-amerikanischer Embargomaßnahmen nicht einverstanden ist.


[1] Banking Trends: How Foreign Banks Changed After Dodd–Frank, Federal Reserve Bank of Philadelphia, Q3 2019

[2] How the Fed Is Flexing Its Muscles as a Banking Regulator, New York Times, 28.8.2017

[3] Sekundärsanktionen als Mittel der Außenpolitik, Wissenschaftliche Dienste des Dt. Bundestags, 06.10.2022

[4] Sascha Lohmann, Extraterritoriale US-Sanktionen, SWP-Aktuell 2019/A 31, 27.05.2019

[5] Tom Ruys, Cedric Ryngaert, Secondary Sanctions : A Weapon Out Of Control? The International Legality of And European Responses to  US Secondary Sanctions, The British Yearbook of International Law, Dezember 2019

[6] Where is OFAC’s Country List? What countries do I need to worry about in terms of U.S. sanctions?, OFAC, abgerufen am 1.11.2023
Eine weitere Sperrliste ist die „Foreign Sanctions Evaders List“ (FSE) für ausländische Personen und Einrichtungen, die an Verstößen gegen die US-Maßnahmen gegen Iran und Syrien beteiligt sind. Diese enthält mittlerweile nur noch wenige Einträge.

[7] Sascha Lohmann, Minenfelder der US-Außenwirtschaftspolitik ‒ Unilaterale Finanzsanktionen im Dienst nationaler Sicherheit, SWP-Aktuell 71, November 2014

[8] Ebd.

[9] Sascha Lohmannm Minenfelder der US-Außenwirtschaftspolitik, SWP-Aktuell 71, November 2014

[10] Bärbel Sachs, US-Sanktionen für Nicht-US-Unternehmen ‒ Der lange Arm der US-Regierung im Embargober, eich, ICC Germany-Magazin Dezember 2016, OFAC Sanctions Compliance Provisions in Agreements, Morgan, Lewis & Bockius LLP, 3.12.2014

[11] Cuba and the State Sponsors of Terrorism List, Congressional Research Service,  22.08.2006

What Designating Russia as a State Sponsor of Terrorism Would Mean, Crowell & Moring LLP, 04.20.2022

[12] Sascha Lohmann, Minenfelder der US-Außenwirtschaftspolitik ‒ Unilaterale Finanzsanktionen im Dienst nationaler Sicherheit, SWP-Aktuell 71, November 2014

[13] Memorandum on the Continuation of the Exercise of Certain Authorities Under the Trading With the Enemy Act, White House, 13.9.2023

[14] Cuba’s report on Resolution 75/289 of the United Nations General Assembly (January – July 2021), Ministry of Foreign affairs Republic of Cuba, 19.10.2022

[15] What you need to know about the US embargo. An overview of the Cuban Assets Control Regulations, Title 31 Part 515 of the US Code of Federal Regulations, OFAC, US Department of the Treasury, 26.07.1999

[16] USA erweitern Sanktionen und blockieren Geldsendungen nach Kuba, amerika21, 11.06.2020

[17] Cuban Liberty and Democratic Solidarity (Libertad) Act of 1996, U.S. Department of the Treasury, OFAC

[18] President Trump Ramps Up Cuba Sanctions Changes, Gibson Dunn Lawyers, 1.5.2019

[19] Mariakarla Nodarse Venancio und Alex Bare, The Human Cost of Cuba’s Inclusion on the State Sponsor of Terrorism List , Washington Office on Latin America, 28.3.2023

[20] Cuba’s report on Resolution 75/289 of the United Nations General Assembly (January – July 2021), Ministry of Foreign affairs Republic of Cuba, 19.10.2022

[21] Ebd.

[22] The Human Cost … a.a.O.

[23] Efectos del bloqueo de los Estados Unidos a Cuba en la esfera financiera desde marzo/22 hasta febrero/23,

Banco Central de Cuba, August.2023

[24] Cuba’s report on Resolution 75/289 of the United Nations General Assembly (January – July 2021), Ministry of Foreign affairs Republic of Cuba, 19.10.2022

[25]  Nach § 82 Abs. 2 Außenwirtschaftsverordnung i.V.m. § 19 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 6 Außenwirtschaftsgesetz,
s. Schlussanträge des Generalanwalts Gerard Hogan vom 12. Mai 2021 ( 1 ) Rechtssache C‑124/20, Bank Melli Iran, Aktiengesellschaft nach iranischem Recht, gegen Telekom Deutschland GmbH

[26] Frage 55 von Heike Hänsel (DIE LINKE): Schritte der Bundesregierung gegen Konsequenzen der vollständigen Aktivierung des Helms-Burton-Gesetze, Plenarprotokoll 19/97, 8.5.2019

[27] EuGH, Bank Melli Iran gegen Telekom Deutschland GmbH, Urteil vom 21.12.2021 – C-124/20

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