Nein zur erbarmungslosen deutschen Kriegspolitik!

Gegen Hochrüstung und Einschränkung der Meinungsfreiheit! Krieg in der Ukraine und Gaza stoppen!

Joachim Guilliard, Redebeitrag auf der Demonstration „Kriege beenden! Sofortiger Waffenstillstand ‒ in der Ukraine, in Gaza und anderswo“ am 25.11.2023 in Heidelberg

Wir sind heute hier, um uns für die Beendigung der vielen Kriege einzusetzen und vor allem von der Bundesregierung und der EU endlich entschiedene Anstrengungen für dauerhafte Waffenstillstände in der Ukraine und in Gaza zu verlangen. Wir wollen damit auch die bundesweite Demonstration unterstützen, die parallel in Berlin stattfindet. Diese war schon im Sommer geplant worden, weil wir es an der Zeit finden, massiver gegen die Krieg- und Rüstungspolitik Berlins und seiner NATO-Verbündeten auf die Straße zu gehen. Dies ist seither noch wichtiger geworden und ich danke Euch, dass Ihr trotz miesem Wetter dabei seid.

21 Kriege und 216 bewaffnete militärische Auseinandersetzungen bedrohen aktuell die Welt“ heißt es im Aufruf vom September „Die Gefahr einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine bis hin zu einem Atomkrieg wächst von Tag zu Tag. Täglich sterben unschuldige Menschen.“

Nun eskalierte am 7. Oktober auch der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern wieder in einen verheerenden Krieg, einen Krieg gegen Gaza, der noch viel verheerender, mörderischer ist, als die vorherigen, im Winter 2008–2009 und 2014.

Wir trauern um die Menschen, die bereits in all diesen Kriegen ihr Leben verloren haben. Unser Mitgefühl gehört ihren Angehörigen und unsere Solidarität allen, die durch Kriege, destabilisierende Interventionen oder interne Konflikte vertrieben wurden oder unter den dadurch verursachten Verwüstungen leiden. Wir setzen uns dafür ein, dass ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, militärische Kriege und Konflikte zu stoppen, wie auch die Wirtschaftsblockaden, die bekanntlich ebenfalls verheerende, auch tödliche Auswirkungen haben.

Dass wir angewiesen wurden, eine ganze Liste von geächteten Parolen vorzulesen zeigt, wie angespannt mittlerweile auch die Lage hierzulande ist. Auch wir werden immer mehr zu einem Land im Krieg. Außenpolitisch wird in den aktuellen Konflikten auf militärische Gewalt gesetzt und innenpolitisch auf Unterdrückung kritischer Stimmen, die Sinn, Zweck und Rechtfertigungen dieser Politik in Frage stellen. „Deutschland im Kriegszustand?“ ist daher auch die sinnvolle Frage, der heute ein Kongress der Infostelle Militarisierung in Tübingen nachgeht.

Die Ansätze dazu begannen schon mit dem Ukraine-Krieg, sie haben sich mit der palästinensischen Offensive aus dem Gazastreifen heraus verstärkt. Sicherlich war es Russland, das durch den Einmarsch in der Ukraine, der von der überwiegenden Mehrheit der Länder als Völkerrechtsbruch gewertet wird, den Krieg dort, der im Donbass seit 2014 herrschte, weiter eskalierte. Und sicher war es das brutale Vorgehen der Hamas und anderer palästinensischer Gruppen, bei dem neben israelischen Soldaten und Sicherheitskräften auch Hunderte unbewaffnete Zivilisten getötet wurden, das den neuen israelische Krieg gegen Gaza triggerte.

Doch in beiden Kriegen bemühte sich die deutsche Regierung zu keinem Zeitpunkt um einen baldigen Stopp, um rasche Waffenstillstände und Verhandlungen. In beiden Kriegen missachtet die Ampelkoalition ‒ angefeuert von den Mainstreammedien ‒ die besondere Verantwortung, die Deutschland aufgrund der Verbrechen des deutschen Faschismus für den Frieden hat ‒ ganz besonders gegenüber den Völkern der ehem. Sowjetunion und gegenüber Juden, aber auch gegenüber Palästinensern, die zu späten Opfern wurden. Sie müssen seither für ein Verbrechen zahlen, das sie nicht begangen haben und für das sie in keiner Weise verantwortlich waren. [Denn ohne den Holocaust wäre die Gründung des Staates Israels kaum denkbar gewesen, und sicherlich nicht durch eine derart unfaire Teilung Palästinas und Akzeptanz der Annexion und anschließender „ethnischer Säuberung“ eines noch viel größeren Gebietes.]

Sowohl im Bezug auf den Krieg in der Ukraine als auf den in Palästina wehren sich Politik und Medien massiv dagegen, auf Hintergründe und Ursache einzugehen. Wer darauf hinweist, hat mit wütenden Reaktionen zu rechnen, Dies geht soweit, dass selbst der Generalsekretär der UNO, António Guterres, hierzulande heftig angegriffen wird, nur weil er auf die Selbstverständlichkeit hinwies, dass die von ihm verurteilten Angriffe der Hamas „nicht im Vakuum erfolgten“. Es sei wichtig, das zu begreifen, sagte er. „Die palästinensischen Menschen erleben seit 56 Jahren eine erdrückende Besatzung“, palästinensisches Territorium sei kontinuierlich von „Siedlungen“ verschlungen worden, das Land von Gewalt „geplagt“, die Wirtschaft „erstickt“, Menschen vertrieben und ihre Häuser zerstört.

Wer gar sich gar solidarisch mit den angegriffenen PalästinenserInnen zeigt, ist rasch mit heftigen Diffamierungen und Antisemitismusvorwürfen konfrontiert, die bis zur Absage von Veranstaltungen, Schreibverboten gehen können.

Wir werden in diesem Zusammenhang noch stärker als bei Corona oder Ukranekrieg mit massiven Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsfreiheit konfrontiert, das an sich im Grundgesetz einen sehr hohen Stellenwert, es wird so getan als hätten wir es mit Ausnahmezuständen zu tun, die Zensur, Auftrittsverbote rechtfertige.

Untersagt wurde uns auch „From the river to the sea Palestine will be free” sowie “vom Fluss bis zum Meer“ auf Deutsch und in anderen Zusammenhängen. Explizit begründet wurde dies nicht, nach Politik und Mainstreammedien sollen aber solche Parolen neuerdings als Ablehnung des Existenzrechts Israels gewertet werden. Nach dieser Sichtweise ist Freiheit und Gerechtigkeit für Palästinenser offenbar nur ohne Israel denkbar, zumindest nicht mit einem Israel, wie es aktuell verfasst ist. Und ein anderes können sie sich nicht mehr vorstellen.

Entgegen der Haltung des überwiegenden Teils der Welt, stellt man sich hierzulande hinter das israelische Narrativ, dass für die Eskalation allein Hamas verantwortlich sei und das Werk einer isolierten Terrororganisation war, die keine nachvollziehbar politische Agenda verfolge, sondern allein das Ziel der Vernichtung Israels. Damit rechtfertigt und unterstützt sie auch die rücksichtlosen mörderischen Angriffe Israels auf die gesamte Bevölkerung Gazas, auf Krankenhäuser, UNO-Einrichtungen, Schulen etc., die Vertreibung aus dem Norden und die Abriegelung des ganzen Streifens, die Verweigerung von Nahrung, Wasser, Treibstoff und Medizin.

So entsetzt wir über mörderische Angriffe auf unbewaffnete Zivilisten, insbesondere das Massaker an Festbesuchern durch Hamas-Kämpfer, sind, die auch durch das Recht auf Widerstand gegen Besatzung und Unterdrückung nicht gerechtfertigt werden können, müssen wir die Ursachen dafür hervorheben.

Wie beispielsweise die israelische Wissenschaftlerin Nurit Peled, die kürzlich erklärte, sie „glaube wirklich, dass dies eine Revolte gegen die Besatzung war. Eine sehr hässliche, grausame und wütende Revolte. Aber manchmal sind Revolten eben so. Und natürlich sind diejenigen, die den Preis zahlen, nicht diejenigen, die den Preis zahlen müssten.“

Die Tochter eines bekannten israelischen Generals isteine der vielen israelischen Stimmen, die sich gegen den Krieg ihres Landes engagiert und eine Frau, die sicherlich nicht leichtfertig und naiv daherredet: 1997 war ihre Tochter Smadar bei einem palästinensischen Selbstmordattentat im Zentrum von Jerusalem getötet worden.

[Und Alain Gresh, langjähriger Chefredakteur von Le Monde diplomatique, schreibt:

Im Gegensatz zu dem, was viele Israelis behaupten (…) ist dies kein ‚einseitiger‘ und ‚unprovozierter‘ Angriff. Der Schrecken, den die Israelis, mich eingeschlossen, gerade jetzt erleben, ist nur ein winziger Bruchteil dessen, was die Palästinenser jeden Tag unter dem Militärregime erleben, das seit Jahrzehnten im Westjordanland wütet, und unter der Belagerung und den wiederholten Angriffen auf Gaza.]

Nach dem letzten Bericht von OCHA, dem UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Hilfe, vom 22. November wurden bereits über 14.500 Opfer im Gazastreifen registriert, darunter 6.000 palästinensische Kinder und 4.000 Frauen. Das sind mehr als 2/3 aller bisher identifizierten Todesopfer. Zudem wurden 108 UN-Mitarbeiter seit Beginn der israelischen Vergeltungsschläge getötet, die dort unter Feuer aufopferungsvoll Hilfe leisteten und 64 Journalisten.

Noch überhaupt nicht abzuschätzen ist, wieviel Menschen zudem aufgrund des Mangels an Medizin, Nahrung und sauberen Wasser gestorben sind oder noch sterben werden ‒ auch noch lange danach.

UN-Experten prangern den israelischen Rachefeldzug, der nicht nur keine wahrnehmbare Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt, sondern immer wieder auch direkt eindeutig zivile Einrichtungen angreift, seit langem als klare Kriegsverbrechen an. Viele warnen vor einem Völkermord oder sehen diesen bereits im Gange, so u.a. Craig Mokhiber, Leiter des New Yorker Büros des UN-Kommissars für Menschenrechte in seinem Rücktrittsschreiben, das wir nachher auch noch auszugsweise vorlesen werden. Für ihn ist der „gegenwärtige Massenmord am palästinensischen Volk auf der Grundlage einer ethno-nationalistischen Siedlerkolonialideologie“ ein „Völkermord wie aus dem Lehrbuch“ der auf die „beschleunigte Zerstörung der letzten Reste einheimischen palästinensischen Lebens in Palästina abzielt.

Trotz alldem, trotz der völlig unzweifelhaften hohen Zahl ziviler Opfer, sprach sich unsere Außenministerin Baerbock Anfang der Woche erneut gegen einen Waffenstillstand aus. Das „hieße ja, dass Israel mit den Hamas verhandeln müsse“. Ja mit wem den sonst, fragt man sich entsetzt über die gefährliche Ahnungslosigkeit oder erbarmungslose Abgebrühtheit der nominellen deutschen Spitzendiplomatin.

Sie spricht aber offenbar fürs ganze Kabinett und wird vom Bundeskanzler Scholz assistiert, der sich allen Ernstes den Vorwürfen gegen Israel, die auch von vielen EU-Partnern kommt, mit der Behauptung entgegenstellt, da Israel ein demokratischer Rechtsstaat sei, könne man darauf vertrauen, dass sich dessen Kriegsführung an internationales Recht halte.

Das Erschütternde an der Haltung unserer Regierung und des übrigen politischen Westen ist, dass die Mitglieder der israelischen Regierung gar keinen Hehl aus ihren schon lange gehegten Plänen über die Vertreibung der Palästinenser machen und offen davon sprechen, den Gazastreifen völlig zu zerstören.

Tatsächlich geraten die Unterstützer des israelischen Vorgehens international völlig ins Abseits. Annalena Baerbock braucht sich mit ihrer „wertegeleiteten Politik“ vorerst im globalen Süden wohl nicht mehr blicken lassen. Andere Regierungen, wie die spanische, die die Anerkennung des palästinensischen Staates ankündigte, die belgische und auch die französische schlagen wohl nicht zuletzt deswegen andere Töne an-

Die aktuelle Waffenpause und der erste Gefangenenaustausch geben Anlassung zu leiser Hoffnung, dass damit auch das Ende des Krieges eingeleitet werden könnte. Die israelische Regierung hat jedoch angekündigt den Krieg anschließend mit unveränderter Härte fortführen zu wollen.

Wir verlangen von der Bundesregierung und der EU, sich für ein dauerhaften Waffenstillstand, ein Ende der Blockade des Gazastreifens und umfassende humanitäre Hilfe für die Menschen dort einzusetzen, wie es die Resolution der UN-Vollversammlung vom 27. Oktober verlangt. Der seit fast 80 Jahren andauernde Konflikt kann nur durch politische Regelungen gelöst werden, die auch die Rechte der PalästinenserInnen wahren. Den eindeutigen Vorgaben der UNO und des Völkerrechts müssen endlich Geltung verschafft werden. Vertreibungen und Landraub müssen gestoppt, die Besetzung des Westjordanlandes und die Blockade des Gazastreifens müssen aufgehoben, sowie die Apartheid beendet werden. Die arabische Bevölkerung in Israel muss die gleiche Rechte bekommen wie die jüdische.

Die erneute Eskalation hat den Regierungen der USA, Deutschlands und ihren Verbündeten gezeigt, dass ihre Hoffnung trog, man könne den Konflikt noch lange auf niedrigere Flamme weiterlaufen lassen, man müsse sich nicht mit dem wichtigsten Verbündeten in der Region wegen dessen völker- und menschenrechtswidriger Besatzungs- und Apartheidpolitik anlegen. Nach den früheren Gaza-Kriegen 2008/2009 und 2014 war stets davon die Rede, dass nun mit Nachdruck an der Lösung des Konflikts, der Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates etc. gearbeitet werden müsse. Wir müssen die internationalen Bestrebungen unterstützen, dies diesmal tatsächlich ernsthaft, hartnäckig und mit ausreichend Druck auf Israel angegangen wird.

Ich habe nun vor allem über den Gaza-Krieg gesprochen. Nicht bloß, weil er neu ist, sondern wegen der besonders verzweifelten Lage der Menschen dort und dem Einfluss den die Position Berlins, als sehr engem Verbündeten Israels hat.

Aber selbstverständlich dürfen und werden wir auch den Krieg in der Ukraine nicht vernachlässigen. Auch das Blutvergießen und die Zerstörungen dort müssen umgehend gestoppt werden. Verhandlungslösungen liegen bekanntlich auf dem Tisch.

Die Zahl der Toten geht hier bereits in die Hunderttausende. Immer mehr setzt sich auch im Westen die Einsicht durch, dass die Ukraine und die NATO militärisch nicht mehr viel gewinnen können, sondern viel ehr der Kollaps der Ukraine bevorsteht. Auch ukrainische Generäle gestehen dies mittlerweile ein und in den USA sind verbreitet Ansätze zu erkennen, auf eine Waffenruhe hinzuarbeiten.

Die Bundesregierung hingegen hat angekündigt, im kommenden Jahr die militärische Unterstützung aus Deutschland nochmals massiv zu steigern, auf 8 Mrd. nahezu zu verdoppeln. Sie will mit anderen Worten auch, dass dieser Krieg noch das nächste Jahr weitergeht, unabhängig der Opfer und Schäden auf ukrainischer Seite.

Wir protestieren entschieden gegen diese unverantwortliche und rücksichtlose Politik und verlangen, dass Berlin sich endlich um Deeskalation und Diplomatie bemüht.

Wir prostieren natürlich auch gegen die gigantische Steigerung der Militärausgaben, die nächste Woche beschlossen werden soll. Hier geht es um eine Erhöhung auf ca. 84 Mrd. Euro, fast 30 Mrd. mehr als letztes Jahr. „Kriegstüchtig“ müsse das Land werden, fordert Militärminister Boris Pistorius. und massiv gekürzt werden dafür u.a. die Mittel für Gesundheit, Kinder, bezahlbare Mieten und Bildung. Noch mehr nun, da die krumme Tour bei der Schuldenmacherei gestoppt wurde.

Es ist höchste Zeit für eine Friedenspolitik in der Ukraine, in Europa und weltweit. Im Vorfeld des Krieges in der Ukraine wurden Warnungen ignoriert und Lehren zur Kriegsvermeidung missachtet. Wir müssen die Rutschbahn in Richtung 3. Weltkrieg und in ein soziales, ökonomisches und ökologisches Desaster stoppen. Nur durch gemeinsame globale Anstrengungen sind soziale Entwicklung, Schutz von Klima und Natur und eine lebenswerte Zukunft für alle möglich.

  • Wir verlangen die Militärausgaben zugunsten von sozialen Investitionen zu senken.
  • Keine Waffenexporte, auch nicht in die Ukraine und Israel!
  • Waffen müssen schweigen. Verhandlungen und Diplomatie sind das Gebot der Stunde!

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