Naledi Pandor: Plädoyer für Fairness, Multipolarität und eine demokratischere UNO

Interview mit der Außenministerin Naledi Pandor vor dem Russland-Afrika-Gipfel

Die Außenministerin Südafrikas, Naledi Pandor, gab dem russischen Sender RT vor dem Russland-Afrika-Gipfel ein Interview in dem sie auf ruhige aber recht offene Weise die Sicht ihres Landes auf die internationalen Beziehungen, die UNO und unilaterale Sanktionen erläutert, sowie die bedeutendere Rolle die afrikanische Staaten spielen könnten:
BRICS not interested in weaponization – South Africa – The bloc is a fresh forum that seeks to focus on peace, security, and development, Foreign Minister Naledi Pandor has told RT, RT 26.8

Auf die Frage, warum Südafrika am Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg teilnimmt, erläutert die Außenministerin, dass es bei dem Gipfel darum gehe, die engen Beziehungen fortzusetzen, die Afrika seit vielen Jahren zu Russland entwickelt habe und die sehr wichtig für Afrika seien und speziell auch für ihr Land, „angesichts Rolle die das russische Volk in ihrem Kampf um Freiheit spielte.“ Es sei daher ein Verhältnis wie von Bruder und Schwester, Genosse und Freund.  

Die afrikanischen Staaten seien auch gekommen, weil Afrika eine wichtige Rolle bei der Suche nach einer Verhandlungslösung im Konflikt zwischen Ukraine und Russland spielen würden. Sie seien dabei die Gespräche mit Kiew und Moskau weiterzuführen. Die Kommunikations-Linien zu beiden Regierungen seien offen und Afrika habe eine besondere Position um vermitteln zu können.

Der afrikanische Kontinent habe auch, so Pandor weiter, viel zur entstehenden multipolaren Welt im Allgemeinen und zur Verbesserung der UNO im Besonderen beizutragen, insbesondere auch Südafrika: „Südafrika hat eine sehr schreckliche und qualvolle Zeit der Apartheid durchlebt. … Wir führten einen heldenhaften Kampf gegen die Macht, und so haben wir Erfahrung im Umgang mit Ungerechtigkeit“.
Aus diesem Kampf heraus hätten sie auch viel Erfahrung mit der Unfairness in der Welt. „Ein Großteil der Welt hat den Apartheidstaat lange Zeit unterstützt, und es gab nur wenige Freunde, die uns in diesem erbitterten Kampf zur Seite standen“, betonte sie.
Die Erfahrung der „Unterdrückung“ mache das Land daher „zu einem sehr guten Kandidaten für das Verständnis der Bedeutung von Freiheit, für die Förderung der Demokratie in ihrer vollen Bedeutung und für die Unterstützung der Repräsentativität“. Und „ein Teil der politischen Definition, die wir uns als Südafrikaner geben,“ erläutert die Diplomatin, „ist Einheit in Vielfalt ‒ das bedeutet, dass wir Rassismus und alle Formen von Vorurteilen ablehnen, und ich denke, wir sollten das auf die multilaterale Bühne bringen.“  

Eine Reform der UNO sei längst überfällig, vor allem der UN-Sicherheitsrat müsse reformiert werden, fuhr sie fort. „Wenn wir von einer Reform des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sprechen, meinen wir eine stärkere Repräsentation und demokratische Prozesse. Der Sicherheitsrat hat die Welt im Stich gelassen, denn wir haben so viele Konflikte auf der ganzen Welt. Das bedeutet, dass der Mechanismus neu geschmiedet werden muss, damit wir Frieden und Sicherheit gewährleisten können“.  

Die UNO bleibe für sie aber die primäre multilaterale Organisation. Pretoria würde Versuche ablehnen, neue multinationale Institutionen zu schaffen, die die UNO in Frage stellen, unabhängig ihres häufigen Missbrauchs, die die Ministerin scharf kritisiert:
„Von Zeit zu Zeit wurden die Vereinten Nationen für politische Zwecke missbraucht. Die einen haben sie zu einer Waffe gegen die anderen gemacht. Dem müssen wir ein Ende setzen, und ich denke, dass eine Vielfalt in ihren Strukturen und Mechanismen demokratische Prozesse ermöglicht.“ 

Als neues positives Beispiel führt sie den Umgang mit dem Konflikt zwischen Ukraine und Russland an, wo plötzlich der UN-Generalversammlung eine bedeutende Rolle zugebilligt wurde. Das sei eine Ausnahme, die es bisher in solchen Fällen kaum gegeben habe. Sie hoffe, dass sich die UNO in diese Richtung entwickle und die Generalversammlung zukünftig eine wesentliche gewichtigere Rolle spielen könne, statt weiter den Ansatz zu verfolgen, dass 15 Sicherheitsratsmitglieder das Schicksal der Welt bestimmen können.  

Es gebe Hoffnung machende Anzeichen, dass tatsächlich eine globale Umgestaltung in Richtung echter multilateraler Institutionen und Prozesse im Gange seien. Die Afrikaner dürften diese Gelegenheit nicht verstreiche lassen, eine solche könnte vielleicht nicht so schnell wiederkommen.  

Der afrikanische Kontinent müsse erkennen, dass er eine gewichtige Rolle in der Welt spielen könnte. Die Afrikaner müssten dazu die Kontrolle über ihre Fähigkeiten und Ressourcen übernehmen, die aktuell von ausländischen Unternehmen ausgebeutet werden, und sie müssten den neokolonialen Gedanken ablegen, dass sie irgendjemandem irgendetwas schulden würden. „Im Kolonialismus ging es um Ressourcen. Es ging um die Ausbeutung,“ fährt die Südafrikanerin fort. „Kein Unterdrücker wird die Situation der Unterdrückung ändern, aber wir sind es, die das tun können. Ich denke, wir müssen ein anderes Verhältnis zu unseren Ressourcen entwickeln.“  

Den Wunsch vieler Länder sich dem BRICS-Bündnis anzuschließen, dem bisher Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angehören, erklärt Pandor damit, dass BRICS ein neuartiges Forum sei, mit einer fortschrittlichen Plattform, das Frieden, Sicherheit und Entwicklung fördern wolle: „Wir sind nicht gegen jemanden, wir sind nicht für jemanden. Wir arbeiten für das Wohl der Welt“. Man brauche eine Organisation dieser Art „Wir versuchen nicht, die Ozeane zu einer Waffe zu machen (weaponize the oceans).,, wir versuchen nicht, die Wälder zu einer Waffe zu machen, und wir versuchen nicht, den Klimawandel zu einer Waffe zu machen“, betonte sie. Darin liege die Attraktivität für andere Länder.  

Auf die Frage nach einer eigenen BRICS-Währung, die ja im Bündnis diskutiert werde und auf die viele hoffen würde, antwortete sie nur allgemein, dass in der Tat größere Fairness im Welthandel nötig und es sichergestellt werden müsse, dass Finanzsysteme und -Institutionen nicht so stark politisiert werden, dass sie zu Handelsbarrieren werden.
Eine größere Vielfalt ist äußerst wichtig, denn wenn man sich an eine Währung oder ein System bindet, wird man zu einer Art Geisel, und das müssen wir beenden„, so Pandor.  

Die Erklärung, warum gerade aktuell die Aussichten für eine multipolaren Welt sich stark verbesserten und die Entwicklung in diese Richtung so rasch voranschreite, liegt ihrer Ansicht darin, dass die Feindseligkeiten in der Welt offen zu Tage treten würden, insbesondere zwischen den großen Mächten, deutlich sichtbar im Handelskrieg zwischen den USA und China, den beiden ganz großen Mächte oder dem Russland-Ukraine-Konflikt und der Rolle der NATO dabei. Und dafür müssten nun mal Antworten gefunden werden. Und das müssen neue sein.  

Angesprochen auf den Russland-Afrika-Gipfel meinte sie „es gibt eine ganze Reihe von Erwartungen. Erstens, die Aufrechterhaltung der Beziehungen zwischen Afrika und Russland, die im Laufe der Jahre aufgebaut wurden.“ Ein wichtiges Thema für die Afrikaner seien natürlich die Engpässe in der Lebensmittelversorgung und ein Punkt dabei sei auch die Getreideinitiative, die nach dem Auslaufen des Abkommens mit der Ukraine auf Eis liegt. Der Streit darum müsse dringend gelöst werden, in einer Weise, die sowohl den Bedenken Russlands als auch denen der afrikanischen Länder Rechnung trage.

Diskutiert würden auch die „unilateralen Sanktionen“, die einige Länder eigenmächtig verhängt haben und „fürchterliche Auswirkungen haben, vor allem auf Entwicklungsländer“. Wenn der Westen abwiegele, sie hätten keine Sanktionen auf Nahrungsmittel oder diesem und jenem, würde sie antworten, „aber wir spüren deren Auswirkungen“.  

Der Ministerin zufolge, beabsichtigt Südafrika, weiterhin starke Beziehungen aufzubauen, um die Entwicklungsziele des afrikanischen Kontinents voranzubringen und sicherzustellen, dass das Engagement für diese Sache, das Russland seit vielen Jahren deutlich gezeigt hat, weiterhin in der Praxis durch gemeinsam vereinbarte Programme und deren Umsetzung zum Ausdruck kommt. Schließlich brachte sie auch das generelle Interesse Südafrikas am internationalen Austausch zum Ausdruck, unter anderem in den Bereichen Kultur, Sicherheit, Handel, Politik und Geschichte. „Es handelt sich also um ein ziemlich breites Spektrum von Partnerschaftsbereichen, was unsere Teilnahme erklärt“, versicherte sie.

3 thoughts on “Naledi Pandor: Plädoyer für Fairness, Multipolarität und eine demokratischere UNO”

  1. Danke! Naledi Pandor vertritt mit jedem Wort die „feministische Außenpolitik“, die ich mir in der Welt wünsche:
    besonnen, klug, konstruktiv ausgleichend und Frieden schaffend.

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