Updates zum Kapitel Kein Anstieg der Intensivbettenbelegung des Beitrags Dramatische „Zweite Welle“ oder herbstlicher Trend?
Die drohende Überlastung der Krankenhäuser und vor allem der Intensivstationen ist ein Hauptargument für den Lockdown. Im oben genannten Beitrag wird u.a. erläutert, dass zwar die Zahl der Corona-Patienten stark gestiegen ist, die Belegung der Intensivbetten insgesamt jedoch nicht.
Wird nur, wie in den meisten Medien, die steil nach oben steigende Kurve der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle gezeigt, die täglich vom DIVI-Intensivregister veröffentlich werden, so wirkt dies in der Tat alarmierend.

Einen ganz anderen Eindruck erhält man, wenn man die gesamte Entwicklung der Intensivbettenbelegung freien Betten und Reserven betrachtet, die von DIVI in der Rubrik Zeitreihen grafisch dargestellt werden (die Zeitreihen funktionieren nicht mit Firefox).
Den besten Überblick erhält man, wenn man zwei der dort zu findenden Diagramme kombiniert, die „Gesamtzahl gemeldeter Intensivbetten (betreibbare Betten und Notfallreserve)“ und „Anzahl gemeldeter intensivmedizinisch behandelter COVID-19-Fälle an Anzahl belegter Intensivbetten“:

Quelle: Screenshots der Diagramme auf www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/zeitreihen vom 9.12.2020
DIVI-Anmerkungen zu den Zeitreihen:
Der allmähliche Anstieg der Bettenzahlen zu Beginn liegt daran, dass das Register noch im Aufbau war und die Krankenhäuser erst sukzessive begannen, ihre Belegungsdaten zu melden..
Die vertikalen grauen Linien markieren Ereignisse der Register-Entwicklung mit Einfluss auf die Daten: 03.04.2020 Datenbankmigration, 16.04.2020 Beginn der Meldepflicht, 20.07.2020 Einführung Behandlungsschwerpunkte, 03.08.2020 neue Kapazitätserfassung für Intensivbetten.
Die Zeitreihen zu belegten Betten, freie (d.h. auch nutzbare, Betten) und Notfallreserve sind gestapelte Flächendiagramme: Die 3 Flächen zeigen die jeweilige Anzahl an einem Tag, sowie die Notfallreservekapazität. Durch das „aufeinander stapeln“ (addieren) verdeutlichen sie auch die vorhandene Gesamtkapazität. Die Notfallreserve (innerhalb von 7 Tagen aktivierbar) wird erst seit dem 03.08.20 erfasst.
Die COVID-19-Fälle werden als überlagertes Flächendiagramm dargestellt. Diese Zeitreihe (brauner Bereich) zeigt den Anteil der COVID-19 Intensivpatient*innen an den belegten Intensivbetten, der nicht davon überdeckte dunkelblaue Bereich den Anteil der sonstigen Intensivpatienten*innen. (Weitere Erklärungen finden man in den FAQs der DIVI-Homepage.)
Wie man anhand der DIVI-Daten sehen kann, hat sich die Belegung der Intensivbetten insgesamt seit dem Sommer nicht stark verändert. Anfang November waren mit 20.921 sogar noch etwas weniger belegt gewesen, als Ende August mit 21.043. Auch vier Wochen später waren es nur rund 500 mehr. Diese Angaben werden bei den täglichen Alarmmeldungen unterschlagen.
Merkwürdig schrumpfende Gesamtkapazität
Irritierend ist die Abnahme der freien Kapazität trotz fast gleichbleibender Belegung. Die Gesamtkapazität ohne Notfallreserve, die am 4. August, d.h. nach der Umstellung der Erfassung bei fast 31.000 Betten lag, sank ab Oktober kontinuierlich, fiel am 18. November unter 28.300 und lag am 9. Dezember nur noch bei 27.400. Die Verringerung wird mit Personalmangel durch viele Erkankungen begründet. Diesen gibt es selbstverständlich. Die Expertengruppe um die ehemaligen „Gesundheitsweisen“ Prof. Matthias Schrappe und Prof. Gerd Glaeske fragt sich in aber ihrem Thesenpapier 6.1, „ob es sich hier nicht um Intensivbetten handelt, […] für die öffentliche Fördermittel geflossen sind“ und Freihalte-Prämien bezahlt wurden. Da die vom Bund bewilligte Freihaltepauschale die Kosten für ein Bett nicht decken, zahlten die Länder den Rest. Diese Ausgleichszahlungen liefen Ende September aus.
An sich hätte die Zahl der Betten im Sommer auch höher sein müssen. Es fehlten 7305 Intensivbetten, „die auf Grund der ausgezahlten Förderbeträge rein rechnerisch aber vorhanden sein müssten“, meldete der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Thomas Steffen. Statt 32.500 hätten es im Juli aufgrund der ausgezahlten Steuermillionen über 39.700 Betten sein müssen. (Wo sind 7305 Intensivbetten geblieben?, Tagesschau, 16.07.2020)
Mit“ oder „wegen“ Corona
„Wenn die Gesamtzahl der belegten Betten bisher fast konstant blieb, obwohl die der Covid-19-Patienten stark stieg, so liegt das wahrscheinlich zu einem guten Teil daran, dass auch hier alle Patienten, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, als „Covid-19-Fälle“ gezählt werden, unabhängig von ihrer primären Erkrankung. Mehr dazu im Kapitel Kein Anstieg der Intensivbettenbelegung des ausführlichen Beitrags.
2 thoughts on “Update zur Intensivbettenbelegung”