Kategorie: Nordafrika

Bischof Martinelli aus Tripolis: „Bombenangriffe: eine Niederlage für die Menschlichkeit“

Ende März kamen von Martinelli die ersten unabhänigen Angaben über zivile Opfer der Nato. Seinen Informationen zufolge waren bei den Luftangriffen in verschiedenen Stadtteilen von Tripolis Dutzende Menschen getötet worden „Im Stadtteil Buslim wurde bei Luftangriffen ein Wohnhaus getroffen, in dem allein 40 Zivilisten ums Leben kamen. Bereits gestern hatte ich berichtet, dass bei Bombenangriffen auch Krankenhäuser beschädigt wurden.”
Dieser Bericht wurde noch von westlichen Medien aufgenommen, auch wenn die Angaben über zivile Opfer mit Verweis auf Stellungnahmen der NATO sehr in Zweifel gezogen wurden.(siehe z.B. Bischof beklagt zivile Opfer der Luftangriffe in Libyen, Süddt. Zeitung, 31.03.2011) Anschließend ließ man ihn jedoch links liegen und beschränkte sich auf die Wiedergabe der Meldungen aus den NATO-Hauptquartieren und dem Lager der Aufständischen.
Martinelli lebt seit über 40 Jahren in Tripolis und ist daher ein exzellenter Kenner des Landes. Dennoch findet man seine Berichte seither nur noch in katholischen Medien, u.a. auf beim “Fidesdienst“, der deutschen Ausgabe der Agenzia Fides.
Aus gutem Grund. Denn vor ein paar Tagen meldete dieser z.B. unter dem Titel Bischof Martinelli aus Tripolis: „Bombenangriffe: eine Niederlage für die Menschlichkeit“

„Am Ostermontag gab es verheerende Luftangriffe auf Tripolis, doch dies hat die Gläubigen nicht daran gehindert, an den Gottesdiensten teilzunehmen. … In diesen Tagen haben wir auch Ortschaften in der Umgebung von Tripolis besucht, um anlässlich des Osterfests den dortigen Christen zu begegnen“, so Bischof Martinelli, „doch leider konnten wir dabei nicht in alle Ortschaften gelangen“.
Der Apostolische Vikar von Tripolis beklagt im Gespräch ein weiteres Mal, dass man sich nicht um eine friedliche Lösung der Krise bemüht: „Die Vereinten Nationen, haben beschlossen, dass Krieg geführt wird und ziehen den Dialog als Mittel für eine Überwindung der Kontroverse nicht in Betracht. Alle wollen die Lösung mit Bomben erreichen. Dies ist sehr traurig, es ist schrecklich, denn es wird sich nichts ändern. Es ist eine Niederlage für die Menschlichkeit“.
Was den Beschluss der Behörden in Tripolis anbelangt, einheimische Stämme an der Vermittlung auf der Suche nach einem Ausweg aus der Krise in der Stadt Misurata zu beteiligen, die seit Wochen Zentrum dramatischer Auseinandersetzungen zwischen Rebellen und regulären Streitkräften ist, und wo die Situation der Zivilisten sich dramatisch zugespitzt hat, sagt Bischof Martinelli: „Ich glaube, dass dies sehr vernünftig ist, denn die libysche Krise beschränkt sich nicht auf die Person Gaddafi alleine, sondern es betrifft das gesamte System der Beziehungen.
Man sollte sich dabei nicht auf Misurata beschränken, sondern einen Weg finden, der alle Stämme und den Reste der libyschen Bevölkerung am Dialog beteiligt“, so der Apostolische Vikar von Tripolis. (LM) (Fidesdienst, 27/04/2011)

Am folgenden Tag hieß es: Bischof Martinelli: „Heute Nacht wurden unschuldige Zivilisten in der Umgebung der Kirche aus dem Schlaf gerissen: Wie können die Vereinten Nationen so etwas zulassen?

Tripolis (Fidesdienst) – „Ich weiß nicht, welches Ziel in der Nähe der Kirche getroffen wurde, aber die Erschütterung durch die Bombe war schrecklich“, so der Apostolische Vikar von Tripolis, Bischof Giovanni Innocenzo Martinelli. „Wir wurden eine halbe Stunde nach Mitternacht aus dem Schlaf gerissen und ich weiß nicht, welches Ziel die Bomben treffen sollten“, so Bischof Martinelli. „Hier in der Umgebung wohnen viele Familien mit Kindern. Die Menschen verließen von der Panik ergriffen ihre Wohnungen und gingen auf die Straße. Es heißt, dass die Bomben gezielt abgeschossen werden, doch sie erschüttern das Leben unschuldiger Menschen. Wie kann man denken, dass man eine Stadt bombardiert, ohne dass dies Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung hat. Man versetzt die Menschen in Panik. Wie können die Vereinten Nationen so etwas zulassen?“, fragt sich der Apostolische Vikar in Tripolis. ….

Eine Woche zuvor schrieb die Agenzia Fides Bischof Martinelli: „Der Krieg kann die soziale Krise nicht lösen, sondern nur verschlimmern“

… „Gestern habe ich Journalisten und Mitarbeiter verschiedener Nichtregierungsorganisationen aus London getroffen, die sich über die Bedürfnisse der Bevölkerung informieren wollten“, so Bischof Martinelli. „Etwas hat mich bei diesem Gespräch besonders beeindruckt: meine Gesprächspartner baten mich immer wieder, die Wahrheit zu berichten, denn ihrer Ansicht nach seien in den vergangenen Wochen über Libyen zu viele Lügen verbreitet worden. [Martinelli spricht hier von der Delegation der “British Civilians for Peace in Libya”, die nach Libyen reiste um die Vorwürfe gegen die libysche Regierung, mit denen der Krieg gerechtfertig wurde, zu überprüfen. J.G.]
Darauf habe ich geantwortet“, so der Apostolische Vikar weiter, „dass ich nur erzählen kann, was mir selbst in den vergangenen Wochen passiert ist. Was die internationalen Medien berichten kann ich nicht bestätigen, da ich vieles nicht selbst erlebt habe.
Fest steht, dass es Vorurteile gegenüber der libyschen Führung gibt, und einige Entscheidungen zu rasch getroffen wurden. Es wurde für den Krieg entschieden, ohne vorher einen diplomatischen Weg zu suchen, der vielleicht möglich gewesen wäre. Dies ist etwas, was mir sehr leid tut“.
„In den 40 Jahren meines Dienstes in Libyen kann ich nur sagen, dass wir nie Schwierigkeiten hatten, wenn es um die katholische Gemeinde des Landes ging. Ich durfte Kranke und deren Pflegepersonal besuchen. Viele Ärzte und Krankenpfleger, die in Libyen tätig sind und die zum größten Teil Christen sind, haben ebenfalls keine Schwierigkeiten. Ich kann diese 40 Jahre, die ich hier zusammen mit meiner Herde erlebt habe nicht verleugnen“, so der Apostolische Vikar.
… „Gewiss, die Krise hätte verhindert werden können, wenn man den Bedürfnissen der jungen Menschen mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätte. Doch der Krieg kann eine soziale Krise nicht lösen. Im Gegenteil, er verschlimmert das Ganze und es kommt zu einer Spirale der Zerstörung, aus der man nur schwer wieder herausfindet“, so Bischof Martinelli. … (LM) (Fidesdienst, 20/04/2011)

British Civilians for Peace in Libya: : “Gewalt gegen Zivilisten wurde übetrieben”

Die Bundesregierung gab nun in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke) zu, es lägen keine Informationen über Angriffe der libyschen Luftwaffe auf Zivilisten vor und es gebe auch keine Belege dafür, dass die libysche Luftwaffe sich nicht an die Zusagen eines Waffenstillstands gehalten habe oder überhaupt flächendeckend und systematisch zur Bombardierung von Zivilisten eingesetzt wurde. (Kamil Majchrzak, Kriegslügen und die Erosion des Völkerrechts, Telepolis, 29.04.2011)
Obwohl genau mit diesen Vorwürfen die Kriegs-Resolution des Sicherheitsrats begründet wurde, die Deutschland durch Stimmenthaltung passieren ließ, fand man es nie nötig, dem genauer nachzugehen und dem Krieg gegebenenfalls die Legitimation zu nehmen.
Eine Gruppe engagierter Briten machte der sogenannten „internationalen Gemeinschaft“ vor, wie es geht: Die “British Civilians for Peace in Libya“ stellte eine kleine „Fact Finding“-Kommission zusammen, um in Libyen vor Ort die ganzen Vorwürfe gegen die libysche Regierung zu untersuchen. (es gibt nur eine Facebook-Seite der Gruppe , Infos zur Reise und Bilder/Videos aus Libyen findet man ganz am Ende, beginnend mit dem 8.April)
Die Teilnehmer – u.a. Wissenschaftler, Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten – machen keinen Hehl daraus, dass sie keine Experten sind. „Wir sind unzureichend, aber wir sind die einzigen die dies tun. Notwendig ist eine unabhängige internationale Untersuchungsmission durch eine professionelle, glaubwürdige und akzeptable Organisation.“
Sky News, Guardian und einige andere britische Medien berichteten über die Ergebnisse der Untersuchung, deutsche Medien nahmen sie nicht zu Kenntnis. Bei Globalresearch findet man neben dem Bericht von Sky auch die Presserklärung der Delegation. Ihren „Zwischenbericht“ findet man hier.
Das Untersuchungsteam war eine Woche in Libyen und bereiste dabei neben Tripolis auch eine Reihe anderer Städte im Westen des Landes. Auch wenn sie bei ihrem Besuch von Vertretern der libyschen Regierung libyschen NGOs betreut wurden, hätten sie offen mit Organisationen und Personen reden können.
Zu den Befragten zählt auch der apostolische Vikar von Tripolis, Bischof Giovanni Martinelli, der sich der katholischen Agenzia Fides. Gegenüber sehr beeindruckt von dem Team zeigte. (siehe Bischof Martinelli aus Tripolis: „Bombenangriffe: eine Niederlage für die Menschlichkeit“)
In ihren „Interim Report“ Bericht stellen sie fest, dass sie zwar in der Lage gewesen waren, zivile Opfer der Nato Bombenangriffe zu bestätigen”, aber ” keine Hinweise dafür fanden, dass Regierungstruppen in den drei Gebieten von Tripolis, die in der UN Resolution 1973 aufgeführt werden, Bombardierung durchgeführt hätten.
Die Gruppe kritisiert in ihrem Bericht scharf die einseitige Berichterstattung durch die westlichen Medien, die ihrer Pflicht wahrheitsgemäß und ausgewogen zu berichten, nicht nachkommen. Während die in Tripolis stationierten britischen Journalisten wochenlang keine Beweise für NATO-Bomben-Opfer finden konnten, registrierte das Team an einem einzigen Morgen innerhalb von drei Stunden sieben Todesopfer.
Die Möglichkeiten eines privaten Teams sind sehr begrenzt und in den Medien wird den „Civilians for Peace“ natürlich Parteilichkeit vorgeworfen. Doch im Unterschied zu ihren Kritikern haben vor Ort so gut sie konnten recherchiert und liefern interessante Informationen. Wen es nicht überzeugt, soll selber nachschauen.
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Quellen:
British Citizens for Peace in Libya – Interim Report
Tom Rayner, British Mission to Libya: “No Evidence of Gaddafi Violence”, Global Research / Skynews, 21.4.2011
Gaddafi violence against Libya civilians exaggerated, says British group
Delegation to Libya says it has found no evidence of dissent and accuses western media of bias towards Nato military action, Guardian, 19.4.2011
Kamil Majchrzak, Kriegslügen und die Erosion des Völkerrechts, Telepolis, 29.04.2011

Libyen – Lokale Opposition gegen Aufständische

Wie die israelische Zeitung Haaretz berichtete, hatten sich vor wenigen Tagen die Oberhäupter örtlicher Stämme in die umkämpfte Stadt Misurata begeben, um die Führer der Aufständischen dort zum Niederlegen der Waffen zu bewegen. Unter anderem weil durch die seit Wochen andauernden Gefechte der wichtige Hafen der Stadt blockiert ist, seien sie entschlossen eine Lösung zu Beendigung der Kampfhandlungen zu finden.
Sollten die Verhandlungen mit den Rebellen scheitern, werden sie eventuell mit eigenen Kämpfern auf Seiten der Regierung eingreifen. Nach Angaben des libyschen Vizeaußenministers könnten die sechs größten Stämme der Region bis zu 60.000 Kämpfer aufbieten. (Libya tribal leaders try to convince rebels to lay down arms, Haaretz, 24.04.11)
Auch in den Hochburgen der Aufständischen im Osten, die weit entfernt von den Kämpfen sind, macht sich offenbar Unmut breit. Zunehmend komme Frustration und Angst zum Vorschein, immer mehr Libyer befürchten einen lang anhaltenden Krieg, berichtet die DPA aus der zwischen Bengasi und Tobruk gelegenen Küstenstadt Derna.
Viele Leute sind ohne Arbeit, die Schulen sind geschlossen und die Lebensmittelpreise steigen rapide. Es gäbe schon einzelne Widerstandsnester gegen die Aufständischen, die bei Nacht aktiv werden. Sollte der Krieg noch länger dauern, könnten sich immer mehr Bürger der Stadt diesen anschließen. (NATO Escalates Bombing Assault, Libyans Fear Pro-tracted War, dpa, 26.4.2011)
Hinzu kommt, dass die Intervention der USA und der alten Kolonialmächte auch unter Gaddafi-Gegnern im Osten auf erhebliche Ablehnung stoßen dürfte. In ganz Libyen war die Empörung über den Irakkrieg groß, das weitere Schicksal des Irak ist hier nicht vergessen. Aus dem libyschen Osten kamen auch überdurchschnittlich viele islamistische Kämpfer, die im Irak gegen die Besatzer kämpften.
Das Vertrauen in die guten Absichten der NATO-Mächte ist daher sicherlich gering. Je mehr diese ihr militärisches Engagement ausweiten, desto mehr wird der Rückhalt für die Aufständische auch im Osten schwinden.

AVAAZ: Dank von US-Regierung für Kriegs-Werbung

Bei AVVAZ ließt sich das so:

Libyan Massacre Prevented — one million messages to the Security Council
Our messages called for sanctions, asset freezes, and an internationally enforced no-fly zone to protect civilians in Libya.
Our voices got through: the UN Ambassador from the US, one of the last hold-outs to back the motion, publicly thanked us for our messages. International action began just as Qaddafi’s tanks encircled the rebel-held city of Benghazi — and is widely credited with preventing a likely massacre of large numbers of civilians.

Die Gruppe hat noch viel vor: u.a. stehen China (wegen Tibet), Myanmar, Zimbabwe und der Sudan schon lange auf ihrer Agenda.
Bald wird vermutlich Syrien Ziel einer Kampagne für eine Militär-Intervention sein.

Libya – Reflections on the threatening ‘Price of Freedom’

There has been little reaching the European public in the past few years about Libya, whose relationship with the West had normalized. European leaders met with their Libyan counterpart Muammar al-Gadhafi often and business flourished. In the course of preparation for war, the country was suddenly transformed into the most evil dictatorship. Even many war opponents accepted this characterization as their own and now want to overthrow the “tyrant.”
But if Libyan society can really be reduced to the “revolutionary leader” Gadhafi in Libya, is the situation really worse than in a hundred other countries and are there not many more factors that determine the living conditions of a country, besides bourgeois freedoms?
For Richard Falk, the UN special rapporteur for human rights in Palestine, the “degree of repression” in Libya is not “more pervasive and severe” than in other authoritarian countries. Even according to Amnesty International’s country reports of human rights conditions, that of Libya differs little from many other countries; regarding the Arab allies in the NATO war alliance, such as Saudi Arabia, it is even much worse.
The UN Human Rights Council has praised the country in its latest report on the “universal periodic review” of Libya, which was made late last year, even for its progress on human rights. Many countries — including Venezuela and Cuba, but also Australia and Canada — raised in their statements some aspects that still deserve special mention. (See also UN Praised Libya’s Human Rights Record, Mathaba, April 8, 2011)
For the Western media, this report, whose final debate has now been shifted abruptly from March to June, is a scandal (for them it’s the result of there being many “less civilized” members of the Human Rights Council, those from the world’s South). But what these countries did was to view living conditions from a different perspective, one that places a strong emphasis on the realization of social rights, i.e., to what is for most people most important: the satisfaction of basic needs, including adequate income, food, housing, health care and education.
Also in this regardthe situation in Libyais, from the point of view of corruption and high youth unemployment, thoroughly unsatisfactory. Compared with other countries, however, the Libyans are still in good shape and have a lot to lose from the NATO intervention. Although the media often refers to youth unemployment of 15 to 30 percent, it does not mention that in Libya, in contrast to other countries, all have their subsistence guaranteed.
The relatively high standard of living also explains why Gadhafi definitely still has support in the country — particularly, according to Libya expert Andreas Dittmann, among the older generations, who remember the old days.
“In Libya, there may be millions who dislike Gaddafi but like much of what he accomplished,” according to the famous Norwegian peace researcher Johan Galtung (The West’s War Against Gadhafi – Yet another long-lasting, tragic crime against humanity, IPS, Global Research , April 6, 2011)
Sanctions and low oil prices slowed development
When in 1969 the U.S. and the British-backed King Idris was overthrown, Libya was still a poor, undeveloped country weighed down by its colonial past despite ongoing oil exports that began in 1961. The gradual nationalization of oil production allowed for accelerated economic development and rapid improvements in living conditions.
With the sharp fall in oil prices 1985-2001, this development came to a standstill. The 1993 UN-imposed sanctions enormously aggravated Libya’s economic difficulties. The gross domestic product (GDP) per capita declined from $6,600 in 1990 to $3,600 in 2002 (World Bank, World Development Indicators) and has grown only after the lifting of UN sanctions in September 2003. (The United States lifted its unilateral sanctions in stages from 2004 until June 2006.)
In 2008, the GDP per capita, expressed in purchasing power, according to UNDP Database, reached $16,200 U.S. (For comparison, the GDP of Egypt was in the same year $5,900, that of Algeria and Tunisia $8,000. Saudi Arabia had a GDP of about $24,000, Kuwait and Qatar of $72,000 and $51,500 dollars respectively.)
The economic sanctions blocked the modernization of Libya’s infrastructure and in especially brought all development plans, besides in the petroleum industry also in others, to a virtual standstill. (Jean-Pierre Sereni, The subtleties of Libyan crude, Le Monde diplomatique, April 8, 2011, free version at Counterpunch)
The economic decline accordingly slowed the development also in social sectors. In the measure of its “Human Development Index” (HDI), which investigates the root values of some basic indicators such as life expectancy, infant mortality and literacy development to evaluate the living standard of a country, Libya also slumped in the mid-1990s from 67th to 73rd place.
High standard of living achieved
After government revenue, supported by rising oil prices, richly flowed once more, living conditions have clearly improved. The country now ranks 53rd on the HDI index, better than all other African countries and also better than the richer and Western-backed Saudi Arabia. Using “Government subsidies in health, agriculture and food imports,” along with “a simultaneous increase in household income,” could “extreme poverty” be virtually eliminated, stated the UNDP in its monitor of the millennium development goals of the UN. (Millennium Development Goals: Goal 1 – Goal 8, UNDP Libya Office)
The life expectancy rose to 74.5 years and is now the highest in Africa. It is now almost one and a half years higher than in Saudi Arabia, which was the reverse of the situation in 1980 (UNDP Database) The infant mortality rate declined to 17 deaths per 1,000 births and is not nearly as high as in Algeria (41) and also lower than in Saudi Arabia (21). (WHO, Global Health Indicators 2010) Libya is also ahead in the care of pregnant women and the reduction of maternal mortality. Malaria was eradicated completely.
According to the UNDP, a lack of human resources in health care still presents a problem, but “the gradual reintegration of the country into the international economy after the lifting of sanctions” is leading “to better availability of health care. The government provides all citizens with free health care and achieved high coverage in the most basic health areas.”
The illiteracy rate dropped to 11.6 percent in Libya, and is well below that of Egypt (33.6 percent), Algeria (27.4 percent), Tunisia (22 percent) and Saudi Arabia (14.5 percent). (See Human Development Report 2010)
The UNDP-calculated Education Index, which in addition to literacy also includes the number of pupils in secondary schools and university students, is even higher than that of small super-rich emirates Kuwait and Qatar, which can hardly be compared with the Arab territorial states. (See UNDP, Arab Human Development Report 2009 and UNDP, Human Development Report 2009)
The UNDP certified that Libya has also made “a significant progress in gender equality,” particularly in the fields of education and health, while there is still much to do regarding representation in politics and the economy. With a relative low “index of gender inequality” the UNDP places the country in the Human Development Report 2010 concerning gender equality at rank 52 and thus also well ahead of Egypt (ranked 108), Algeria (70), Tunisia (56), Saudi Arabia (ranked 128) and Qatar (94). Even Argentina (ranked 60) seems worse in this regard.
In view of these achievements, the positive Human Rights assessment of developments in Libya should hardly be a surprise.
The example of Iraq
In 1980, Iraq also had a relatively high living standard, even higher than that of Libya. This collapsed massively under the murderous UN embargo [1990-2003]. Their “liberation” from Saddam Hussein then toppled Iraqi society completely into the abyss. The collapse is still going on.
Millions of Iraqis are starving, and the lack of food is still increasing. Half of the nearly 30 million people are now living in extreme poverty. Some 55 percent have no clean drinking water, 80 percent are not connected to the sewage system. Electricity is available only an hour here, an hour there; the once good health and education systems are flattened. Had the development of the conditions in the 1980s continued, the infant mortality rate would now well below 20 per 1000 births. In fact, according to a study by the aid agency Save the Children, by 2005 it had increased to 125. Iraq had been recognized by UNESCO in 1987 for its education system; illiteracy had been almost eliminated. Now, the illiteracy rate has already increased to over 25 percent in some areas it is already 40-50 percent among women. In general, Iraqi women have lost their once very good position in society. According to UNDP’s index, they fell to the level of Saudi Arabia. (See Iraq – The Forgotten Occupation)
There is no reason to assume that a “regime change” in Libya enforced by the NATO states would come out much better for the country (not to mention a long civil war and partition of the country altogether). Finally, the attacking forces and their agenda is almost identical and in many ways the leadership of the insurgency resembles the Iraqis that the U.S. set up in the government there — that is, radical Islamic organizations and pro-Western, neo-liberal advocates of a complete opening to imperialism, and privatization of the economy of the country.
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Note to Wikipedia:
Wikipedia is only partially useful regarding access to statistical data. As soon as it is playing a role in a current political debate, there is a danger of manipulation.
After David Rothscum published on Feb. 23, 2011 his article, “The World Cheers As The CIA Libya Plunges Into Chaos” published in which he and others wrote that living in Libya, a lower percentage of people below the poverty line than in the Netherlands, the information in the Wikipedia article “List of countries by percentage of population living in poverty” to which Rothscum referred were changed. According to the Article-History on Feb. 15 a value of 7.4 percent could be found, since March 6 a reference is made in a footnote, without any listing of a source, that “around a third of the Libyans live at or below the national poverty line.”

Jahrhundert-Raub: Die Beschlagnahme der Konten libyscher Staatsfonds durch die NATO-Staaten

 
Der Raub des Jahrhunderts: Die Beschlagnahme der Gelder der staatlichen libyschen Fonds durch die “Willigen”
Manlio Dinucci,
Il Manifesto, 22. April 2011
Das Ziel des Krieges in Libyen ist nicht nur das Öl. Die Reserven des Landes (geschätzt auf 60 Milliarden Barrel) sind die größten in Afrika und die Kosten für seine Gewinnung zählen zu den niedrigsten in der Welt. Es ist auch nicht allein das Erdgas. Die Reserven werden auf 1500 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Im Visier haben die „Bereitwilligen“ der Operation „United Protector“ auch die staatlichen Fonds, die Gelder, die der libysche Staat im Ausland investiert hat.
Die staatlichen Fonds, die der „Libyan Investment Authority“ (LIA) verwaltet, werden auf rund 70 Milliarden Dollar geschätzt. Sie betragen über 150 Milliarden Dollar, wenn die Auslandsinvestitionen der Zentralbank und anderer Organe mitgerechnet werden. Aber es könnten auch mehr sein. Wenn die staatlichen Fonds auch kleiner sind, als die von Saudi-Arabien und Kuweit, so kennzeichnet sie ein rasches Wachstum. Als die LIA 2006 errichtet wurde, verfügte sie über 40 Milliarden Dollar. In kaum 5 Jahren hat sie in über 100 nordafrikanische, asiatische, europäische, nord- und südamerikanische Gesellschaften investiert, in Holdings, Bank, Immobilgesellschaften, Industrien, Ölgesellschaften und andere. In Italien gingen die größten libyschen Investitionen in die Unicredit Bank (an ihr besitzen LIA und libysche Zentralbank 7,5%), Finmeccanica (2%) und ENI (1%). Diese und weitere Investitionen (darunter 7,5% am Fußballclub Juventus Turin) haben nicht so sehr ökonomische (insgesamt etwa 4 Milliarden Euro), sondern politische Bedeutung.
Nachdem Washington Libyen von der Proskriptionsliste der „Schurkenstaaten“ gestrichen hatte, versuchte das Land für sich einen Manövrierraum auf internationaler Ebene zu gewinnen. Dazu setzte es auf „Diplomatie mittels seiner staatlichen Fonds“. Seit 2004 die USA und die EU das Embargo aufgehoben hatten und die großen Erdölgesellschaften zurückgekehrt waren, konnte Tripolis über einen Handelsbilanzüberschuss von rund 30 Milliarden Dollar pro Jahr verfügen, die es zu einem großen Teil für Investitionen im Ausland verwandte.
Die Verwaltung der staatlichen Fonds hat jedoch einen neuen Mechanismus von Macht und Korruption in den Händen von Ministern und hohen Funktionären geschaffen, der wahrscheinlich teilweise auch der Kontrolle von Gaddafi selbst entglitten ist. Das wird dadurch bestätigt, dass er 2009 vorgeschlagen hat, die 30 Milliarden Einnahmen aus dem Ölgeschäft sollten „direkt an das libysche Volk gehen“. Der Bruch innerhalb der libyschen Regierung wurde dadurch verschärft.
Die herrschenden Kreise in den USA und Europa haben an diesem Bruch angesetzt und sich – bevor sie militärisch Libyen angegriffen haben, um seine reichen Energievorkommen in die Hand zu bekommen – der Mittel der staatlichen Fonds bemächtigt. Der Vertreter des „Libyan Investment Authority“ Mohamed Layas hat ihnen dabei geholfen. Wie ein Telegramm enthüllt, das dank Wikileaks durchgesickert ist, hat Layas am 20. Januar den US -Botschafter
In Tripolis darüber informiert, dass die LIA 32 Milliarden Dollar bei US Banken deponiert hatte.
Fünf Wochen später, am 28. Februar, hat das US Schatzministerium die Gelder „eingefroren“. Nach offiziellen Erklärungen ist es die größte Geldsumme, die jemals in den USA blockiert wurde. Washington hält sie fest auf einem „Konto für die Zukunft Libyens“. In Wirklichkeit werden die Gelder als Kapitalspritze für die immer höher verschuldete Wirtschaft der USA dienen. Wenige Tage später hat die EU rund 45 Milliarden EUR libyscher Fonds eingefroren.
Die Beschlagnahme der staatlichen libyschen Fonds wird eine besonders starke Auswirkung auf Afrika haben. Hier hat die Libysch-Arabisch-Afrikanische Investment Gesellschaft in über 25 Länder, davon in 22 subsaharische Länder investiert und geplant, diese Investitionen in den nächsten 5 Jahren insbesondere in den Sektoren Bergbau, verarbeitende Industrie, Tourismus und Telekommunikation zu erhöhen.
Die libyschen Investitionen waren entscheidend für die Realisierung des ersten Telekommunikationssatelliten der Rascom (Regional African Satellite Communication Organization). Er trat im August 2010 in den Orbit ein und ermöglicht es den Afrikanischen Ländern, sich schrittweise von den amerikanischen und europäischen Satellitensystemen unabhängig zu machen und dabei jährlich Hunderte von Millionen Dollar einzusparen.
Noch wichtiger waren die libyschen Investitionen für die Schaffung von drei Finanzinstituten, mit der die Afrikanischen Union begonnen hat: dem Afrikanische Investmentbank mit Sitz in Tripolis, dem Afrikanische Währungsfonds mit Sitz in Yaounde (Kamerun) und der Afrikanischen Zentralbank mit Sitz in Abuja (Nigeria). Die Entwicklung dieser Institute würde es den afrikanischen Ländern ermöglichen, sich der Kontrolle von Weltbank und Weltwährungsfonds, Instrumenten der neokolonialen Herrschaft, zu entziehen.
Sie würde das Ende des französischen CFA Franc bedeuten, einer Währung, deren Nutzung 14 ehemalige französische Kolonien gezwungen sind.
Das Einfrieren der libyschen Fonds versetzt dem ganzen Projekt einen schweren Schlag. Die Waffen, die die „Bereitwilligen“ einsetzen, sind nicht nur diejenigen der Operation „United Protector“.
Übersetzt aus dem Italienischen von Bernd Duschner
Original:
La rapina del secolo: l’assalto dei «volenterosi» ai fondi sovrani libici

Libyen – Überlegungen zum drohenden „Preis der Freiheit“

Wenig hat man in den letzten Jahren über Libyen gehört, das Verhältnis zum Westen hatte sich entspannt, europäische Regierungschefs trafen sich nun oft mit ihrem libyschen Kollegen, Muammar al-Gaddafi, die Geschäfte blühten. Im Zuge der Kriegsvorbereitung wurde das Land plötzlich zur übelsten Diktatur. Auch viele Kriegsgegner übernehmen die Charakterisierung und wünschen den Sturz des „Tyrannen“.
Doch lässt sich das libysche Gesellschaftssystem tatsächlich auf „Revolutionsführer“ Gaddafi reduzieren, sind die Verhältnisse in Libyen tatsächlich schlimmer als in hundert anderen Ländern und gibt es nicht wesentlich mehr Faktoren, die die Lebensverhältnisse eines Landes bestimmen, als die bürgerlichen Freiheiten?
Für Richard Falk, den UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Palästina ist „der „Grad der Unterdrückung“ in Libyen nicht „durchdringender und schwerer“ als in anderen autoritär regierten Ländern. Auch nach den Länderberichten von Amnesty International unterscheidet sich die Menschenrechtssituation Libyens kaum von unzähligen anderen Staaten, bei arabischen Verbündeten in der Nato-Kriegsallianz, wie Saudi Arabien ist sie sogar wesentlich schlimmer.
Der UN-Menschenrechtsrat hat das Land im Bericht zur jüngsten „allgemeinen regelmäßigen Überprüfung“ Libyens, die Ende letzten Jahres vorgenommenen wurde, sogar für seine Fortschritte bei den Menschenrechten gelobt. Zahlreiche Länder – darunter Venezuela und Kuba, aber auch Australien und Kanada – hoben in ihren Erklärungen einzelne Aspekte noch besonders hervor. (siehe auch UN Praised Libya’s Human Rights Record, Mathaba, 8.4.2011)
Für westliche Medien ist dieser Bericht, dessen abschließende Diskussion nun kurzfristig von März auf Juni verschoben wurde, ein Skandal (für sie eine Folge der vielen, selbst noch „wenig zivilisierten“ Mitglieder des Menschenrechtsrats aus dem Süden). Doch betrachtet dieser die Lebensverhältnisse nur unter einem anderen Blickwinkel und legt sehr großes Gewicht auf die Verwirklichung sozialer Rechte, d.h. auf das, was für die meisten Menschen die größte Bedeutung hat: die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse, ausreichendes Einkommen, Nahrung, Wohnung, Gesundheitsversorgung und Bildung.
Auch in dieser Hinsicht ist die Situation in Libyen, angesichts von Korruption oder hoher Jugendarbeitslosigkeit, durchaus nicht befriedigend. Im Vergleich mit anderen Ländern stehen die Libyer aber dennoch recht gut da und haben sehr viel durch die NATO-Intervention zu verlieren. So wird zwar oft auf eine Jugendarbeitslosigkeit von 15 bis 30 Prozent hingewiesen, aber nicht erwähnt, dass in Libyen im Unterschied zu anderen Ländern dennoch alle ihr Auskommen haben.
Der relativ hohe Lebensstandard erklärt auch, warum Gaddafi durchaus noch Rückhalt im Land hat – besonders, so der Libyenexperte Andreas Dittmann, unter den älteren Generationen, die sich noch an die früheren Zeiten erinnern.
“In Libyen gibt es vielleicht Millionen Menschen, die Gaddafi nicht mögen, aber sehr wohl seine Errungenschaften schätzen” so der bekannte norwegische Friedensforscher Johan Galtung (The West’s War Against Gaddafi – Yet another long-lasting, tragic crime against humanity, IPS, Global Research, April 6, 2011)
Sanktionen und niedriger Ölpreis bremsten Entwicklung
Als 1969 der, von den USA und den Briten eingesetzte König Idris gestürzt wurde, war Libyen trotz der 1961 angelaufenen Erdölexporte noch ein armes, vom Kolonialismus schwer gezeichnetes, unterentwickeltes Land. Die schrittweise Nationalisierung der Ölproduktion ermöglichte eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung und rasche Verbesserungen der Lebensbedingungen.
Mit dem drastischen Einbruch des Ölpreises zwischen 1985 und 2001 geriet diese Entwicklung ins Stocken. Die 1993 verhängten UN-Sanktionen verschärften die wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch enorm. Das Bruttoinlandsprodukt BIP sank von 6.600 pro Kopf im Jahr 1990 auf 3.600 in 2002 (Weltbank, World Development Indicators) und wuchs erst nach der Aufhebung der UN-Sanktionen im September 2003 wieder deutlich. (Die USA hoben ihre unilateralen Sanktionen erst bis Juni 2006 schrittweise auf.)
2008 erreichte das in Kaufkraftparität ausgedrückte BIP laut UNDP Database pro Kopf 16.200 US-Dollar . (Zum Vergleich das BIP von Ägypten betrug im selben Jahr 5.900, das Algeriens und Tunesiens ca. 8.000 Dollar. Saudi Arabien hatte ein BIP von ca. 24.000, Kuwait von 51.500 und Katar von 72.000 Dollar.)
Die Wirtschaftssanktionen blockierten eine Modernisierung der Infrastruktur und brachten insbesondere alle Pläne, neben dem Erdöl auch andere Industriezweige zu entwickeln, praktisch zum Erliegen. (Jean-Pierre Sereni, Eine kleine Geschichte des libyschen Öls, Le Monde diplomatique, 8.4.2011)
Der wirtschaftliche Niedergang bremste natürlich auch die Entwicklung in sozialen Bereichen. Libyen sackte beim “Human Development Index” (HDI), der anhand einiger Basisindikatoren wie Lebenserwartung, Kindersterblichkeit und Alphabetisierung das Entwicklungs- und Lebensniveau eines Landes zu messen sucht, Mitte der 90er vom 67. auf den 73. Platz ab.
Hoher Lebensstandard erreicht
Nachdem die Staatseinnahmen, unterstützt durch den Anstieg des Ölpreises, wieder reichlich flossen, verbesserten sich auch die Lebensbedingungen wieder deutlich. Das Land liegt mittlerweile auf HDI-Rang 53, vor allen anderen afrikanischen Ländern und auch vor dem reicheren und vom Westen unterstützten Saudi Arabien. Mit „Regierungs-Subventionen in Gesundheit, Landwirtschaft und Nahrungsimport“, bei „gleichzeitiger Steigerung der Haushaltseinkommen“ konnte nun die „extreme Armut“ praktisch beseitigt werden, stellt die UNDP in ihrem Monitor der Millennium-Entwicklungsziele der UNO fest. (Millennium Development Goals: Goal1 – Goal 8, UNDP-Büro Libyen)
Die Lebenserwartung stieg auf 74,5 Jahren und ist damit nun die höchste in Afrika. Sie ist nun auch fast eineinhalb Jahre höher als in Saudi Arabien, nachdem es 1980 noch genau umgekehrt war. (UNDP Database) Die Kindersterblichkeit sank auf 17 Tote pro 1000 Geburten und ist damit nicht halb so hoch wie in Algerien (41) und auch geringer als in Saudi Arabien (21). (WHO, Global Health Indicators 2010) Libyen liegt auch bei der Versorgung von Schwangeren und der Reduzierung der Müttersterblichkeit vorne. Die Malaria wurde vollständig ausgerottet.
Noch stellen, so die UNDP, mangelnde personelle Ressourcen im Gesundheitswesen ein Problem dar, „die graduelle Reintegration des Landes in die internationale Wirtschaft,“ nach Aufhebung der Sanktionen“ führte aber „zu einer besseren Verfügbarkeit der Gesundheitsversorgung. Die Regierung bietet allen Bürgern eine freie Gesundheitsversorgung und erreichte eine hohe Abdeckung in den meisten Basis-Gesundheitsbereichen.
Die Analphabeten-Rate sank in Libyen auf 11,6% und liegt deutlich unter der von Ägypten (33,6%), Algerien (27,4%), Tunesien (22%) und Saudi Arabien (14,5%). (s. Human Development Report 2010)
Der vom UNDP ebenfalls berechnete Bildungsindex, in den neben der Alphabetisierung auch die Zahl von Schülern in höheren Schulen und Studenten eingeht, liegt sogar über dem der kleinen superreichen Scheichtümer Kuwait und Katar, die man an sich kaum mit den arabischen Flächenstaaten vergleichen kann. (siehe UNDP, Arab Human Development Reports 2009 sowie UNDP, Human Development Report 2009)
Die UNDP bescheinigt Libyen „auch einen signifikanten Fortschritt in der Gleichstellung der Geschlechter“, besonders im Bereich Bildung und Gesundheit, wobei bzgl. Repräsentation in Politik und Wirtschaft allerdings noch viel zu tun sei. Mit einem relativen niedrigen „Index für geschlechtsspezifische Ungleichheit“ der UNDP liegt das Land im Human Development Report 2010 bzgl. Gleichberechtigung auf Rang 52 und damit ebenfalls weit vor Ägypten (Rang 108), Algerien (Rang 70), Tunesien (Rang 56), Saudi Arabien (Rang 128) und Katar (Rang 94). Selbst in Argentinien (Rang 60) sieht es in dieser Hinsicht schlechter aus.
Angesichts dieser Erfolge kann die positive Einschätzung der Entwicklung in Libyen im Menschenrechtsrat kaum überraschen.
Das Beispiel Irak
Auch der Irak hatte in 1980er Jahren einen relativ hohen Lebensstandard, höher noch als der Libyens. Dieser brach bereits unter dem mörderischen UN-Embargo massiv ein. Ihre „Befreiung“ von Saddam Hussein stürzte die irakische Gesellschaft dann vollends in den Abgrund. Der Zerfall schreitet noch immer fort.
Millionen Iraker hungern, und der Nahrungsmangel weitet sich sogar noch aus. Die Hälfte der knapp 30 Millionen Einwohner lebt nun in äußerster Armut. 55 Prozent haben kein sauberes Trinkwasser, 80 Prozent sind nicht an das Abwassersystem angeschlossen. Strom gibt es nur stundenweise, die einst vorbildlichen Gesundheits- und Bildungssysteme liegen am Boden. Die Kindersterblichkeit würde bei Fortsetzung der Entwicklung in den 1980er Jahren heute deutlich unter 20 pro 1000 Geburten liegen. Tatsächlich stieg sie gemäß einer Studie der Hilfsorganisation „Save the Children“ bis 2005 auf 125. Der Irak war 1987 von der UNESCO für sein Bildungswesen ausgezeichnet worden, der Analphabetismus war fast beseitigt gewesen. Nun stieg die Analphabetenrate bereits auf über 25%, in manchen Gegenden beträgt sie bei Frauen schon 40-50%. Generell haben die irakischen Frauen ihre einst recht gute Stellung in der Gesellschaft verloren. Gemäß UNDP-Index fielen sie auf das Niveau von Saudi Arabien. (siehe Irak – Die vergessene Besatzung)
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ein von den Nato-Staaten durchgesetzter „Regime Change“ in Libyen viel besser für das Land ausgehen würde, (von einem langem Bürgerkrieg und einer Teilung des Landes ganz zu schweigen). Schließlich sind die angreifenden Mächte und ihre Agenda nahezu identisch und ähneln auch die die Führung der Aufständischen in vielem den Irakern, die die USA im Irak an die Regierung brachten – radikale islamische Organisationen und pro-westliche, neoliberale Verfechter einer vollständigen Öffnung und Privatisierung der Wirtschaft des Landes.
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Hinweis zu Wikipedia:
Wikipedia taugt nur bedingt zum Beleg statistischer Daten. Sobald sie in der aktuellen politischen Auseinandersetzung eine Rolle spielen, besteht die Gefahr der Manipulation.
Nachdem David Rothscum am 23.2.2011 seinen Artikel “The World Cheers as the CIA Plunges Libya Into Chaos” veröffentlichte, in dem er u.a. schrieb, dass in Libyen prozentual weniger Menschen unter der Armutsgrenze leben, als in den Niederlanden, wurden die Angaben im Wikipedia-Beitrag „List of countries by percentage of population living in poverty“ auf den er sich bezog geändert. Wo nach der Artikel-History am 15.2. noch ein Wert von 7,4 % stand, findet man seit dem 6.3. nun einen Verweis auf eine Fußnote, in der ohne Quellenangabe behauptet wird, dass „rund ein Drittel der Libyer an oder unter der nationalen Armutsgrenze“ leben würde.

Mamdani: Libyen – Die Politik der humanitären Intervention

 
Libyen: Die Politik der humanitären Intervention
Der Prozess der Implementierung der UN-Resolution zu Libyen war eine schlecht durchgeführte Farce ohne langfristige Voraussicht

von Mahmood Mamdani*
Al Jazeera, 31.3.2011
Irak und Afghanistan lehren uns, dass eine humanitäre Interven¬tion nicht mit der Beseitigung der Gefahr, auf die sie vorgeblich abzielt, endet.
Sie beginnt bloß damit. Wenn das Ziel aus dem Weg geräumt ist, nimmt die Intervention zu und wird zum eigentlichen Problem. Das ist der Grund, warum die Begrenzung der Diskussion über die Intervention in Libyen auf die angegebene Begründung – die Rettung des Lebens von Zivilisten – gerade mal an der politischen Oberfläche kratzt.

In Libyen taub für die eigene Logik: “Nicht Gewalt ist die Antwort, sondern ein politischer Prozess” sagte Hillary Clinton angesichts der brutalen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain [GALLO/GETTY]

Die kurze Dauer der Intervention in Libyen legt nahe, dass wir beim Schreiben ihrer Biographie zwischen Begründung und Ausführung unterscheiden. Die Begründung war ein interner Vorgang im UN-Sicherheitsrat, die Ausführung ist es aber nicht.
Zusätzlich zur Bewilligung einer “Flugsicherheitszone” und zur Verschärfung der Sanktionen gegen “das Gaddafi-Regime und seine Unterstützer” forderte die Resolution 1973 “alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten, die von Angriffen im Land einschließlich Bengazis bedroht werden”. Gleichzeitig schloss sie ausdrücklich “eine fremde Besatzungsmacht in irgendeiner Form” oder “in irgendeinem Teil des libyschen Territoriums” aus.
UNO-Konflikte
Das Vorgehen der UNO ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen wurde die Resolution mit 10 Jastimmen und fünf Enthaltungen durchgebracht.
Die sich enthaltenden Regierungen – Russland, China, Indien, Brasilien, Deutschland – repräsentieren die große Mehrheit der Menschheit.
Obwohl die Afrikanische Union sich gegen eine äußere Intervention entschieden und zu einer politischen Lösung des Konflikts aufgerufen hatte, stimmten die beiden afrikanischen Regierungen im Sicherheitsrat – Südafrika und Nigeria – zugunsten der Resolution.
Seitdem wiederholten sie aber die Sichtweise der sich enthaltenden Regierungen, dass sie nicht das Ausmaß im Sinne hatten, welches die Intervention derzeit erreicht hat.
Die zweite bemerkenswerte Sache hinsichtlich des Vorgehens der UNO ist, dass der Sicherheitsrat, obwohl er für den Prozess der Begründung eine zentrale Rolle einnahm, bei deren Ausführung am Rande steht.
Die russischen und chinesischen Vertreter beklagten, dass die Resolution unbestimmt ließ, “wie und durch wen die die Maßnahmen in Kraft gesetzt werden und bis zu welchen Grenzen sie gehen dürfen”.
Nach Genehmigung der Intervention überließ der Sicherheitsrat ihre Umsetzung allen und jedem und “ermächtigte die Mitgliedsstaaten, national oder vermittels regionaler Organisationen oder Absprachen zu handeln”.
Wie bei jedem Recht war auch dieses nur in der Theorie für alle gültig; in der Praxis konnte es nur von denen ausgeübt werden, die die Mittel dazu besaßen. Als der Knüppel vom UN-Sicherheitsrat zu USA und NATO überging, wurde seine Politik deutlicher.
Der Weg des Geldes
Hinsichtlich der Kontensperrung und des Waffenembargos forderte die Resolution den Generalsekretär auf, eine achtköpfige Expertengruppe zu bilden, die das Sicherheitsratskomitee bei der Überwachung der Sanktionen unterstützen sollte.
Libysche Anlagen befinden sich hauptsächlich in den USA und in Europa, und sie belaufen sich auf Hunderte Milliarden Dollar: das US-Finanzministerium sperrte 30 Milliarden Dollar an flüssigem Kapital, US-Banken 18 Milliarden. Was Wichtiges wird mit diesen Guthaben geschehen?
Da es keine ausdrückliche Bestimmung für sie gibt, werden die Guthaben in Beute verwandelt, in zinslose Darlehen, in diesem Fall für die US-Staatskasse und für US-amerikanische Banken.
Wie schon bei der Militärintervention gibt es auch hinsichtlich der in Kraft tretenden Sanktionsmaßnahmen nichts Internationales. So betrachtet ist der internationale Prozess nichts als eine Legitimationsübung.
Während die Legitimation international ist, wird die Umsetzung privatisiert, wobei die Initiative an die stärksten Mitgliedsstaaten übergeben wird. Das Endergebnis ist eine selbstgemachte “Koalition der Willigen”.
Krieg unterstützt viel Interessen. Jeder Krieg ist ein Laboratorium für das Testen der nächsten Waffengeneration. Es ist wohlbekannt, dass der Irakkrieg zu mehr zivilen als militärischen Opfer führte.
Damals wurde diskutiert, ob diese Schäden beabsichtigt waren oder nicht. In Libyen geht es in der Diskussion um Fakten. Sie verweist auf die Tatsache, dass USA und NATO dabei sind, eine neue Generation von Waffen zu perfektionieren, die für die Kriegsführung in Städten entwickelt und so gestaltet wurden, dass sie Kollateralschäden minimieren.
Das Ziel ist, physische Anlagewerte mit minimalen Kosten an Menschenleben zu zerstören. Die Kosten für die Menschen in Libyen werden von anderer Art sein. Je mehr materielle Anlagen zerstört werden, desto weniger unabhängig wird die nächste Regierung in Libyen sein.
Libyens Opposition
Die vollen politischen Kosten werden in der Übergangszeit deutlich werden. Die Anti-Gaddafi-Koalition umfasst vier verschiedene politische Richtungen: radikale Islamisten, Royalisten, Stammesvertreter und säkulare Mittelschichtsaktivisten, die von einem westlich orientierten Bildungssystem produziert wurden.
Von diesen haben nur die radikalen Islamisten, speziell die organisatorisch mit Al Kaida verbundenen, Kampferfahrung.
Sie – genauso wie die NATO – haben kurzfristig am meisten zu gewinnen durch einen Prozess, der stärker militärisch als politisch ist. Aus diesem Grund wird der wahrscheinlichste Ausgang einer militärischen Lösung in Libyen ein Bürgerkrieg vom Afghanistan-Typ sein.
Man möchte meinen, dass das den Mächten klar sein müsste, die den gegenwärtigen Krieg gegen Libyen unternehmen, weil es dieselben Mächte waren, die den Krieg in Afghanistan wagten. Aber bisher haben sie wenig Interesse an einer politischen Lösung gezeigt. Verschiedene Tatsachen weisen darauf hin.
Der Delegation der Afrikanischen Union, die nach Libyen geschickt wurde, um mit Col. Gaddafi Gespräche mit dem Ziel einer politischen Lösung des Konflikts zu beginnen, wurde die Erlaubnis, über Libyen zu fliegen – und so in Tripolis zu landen – von den NATO-Mächten verweigert.
Die New York Times berichtete, dass libysche Panzer auf der Straße nach Bengazi aus der Luft nach Art des Irakkriegs bombardiert wurden, als sie sich zurückzogen, und nicht, als sie auf dem Vormarsch waren.
Die beiden Piloten des US-Kampfjets F-15 E, der bei Bengazi abstürzte, wurden von US-Kräften am Boden gerettet, hinsichtlich derer jetzt zugegeben wurde, dass es sich um CIA-Einsatzkräfte handelte – eine klare Verletzung der Resolution 1973, die auf einen frühen Einsatz von Bodentruppen hinweist.
Die Logik einer politischen Lösung wurde von US-Außenministerin Hillary Clinton in einem anderen Zusammenhang verdeutlicht: “Wir haben klargestellt, dass Sicherheitsmaßnahmen alleine die Herausforderungen nicht bewältigen kann, denen sich Bahrain gegenübersieht. Nicht Gewalt ist die Antwort, sondern ein politischer Prozess”.
Dass Clinton gegenüber dieser Logik taub war, als es um Libyen ging, legt Zeugnis davon ab, dass sich das Verfolgen von Interessen bisher dem Lernen politischer Lektionen aus vergangenen Kriegen, vor allem dem Afghanistankrieg, entgegensetzte.
Marx schrieb einmal, dass sich wichtige Ereignisse in der Geschichte quasi zweimal ereignen – das erste mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Er hätte hinzufügen sollen, dass die Farce für ihre Opfer mit einer Tragödie verbunden ist.
* Mahmood Mamdani ist Professor und Leiter des Makerere-Instituts für Sozialforschung an der Makerere-Universität in Kampala, Uganda, und Herbert Lehman ist Professor of Government an der Columbia-University in New York. Er ist der Autor von (zuletzt) “Guter Moslem, böser Moslem: Amerika, der Kalte Krieg und die Wurzeln des Terrors”, und von “Retter und Überlebende: Darfur, Politik und der Krieg gegen den Terror“.

Original: Libya: Politics of humanitarian intervention, Al Jazeera, 31.3.2011
Übersetzung aus dem Englischen: Heinz Eckel

Libero: Wie Sarkozy den libyschen Aufstand steuerte – Updated

Wie Sarkozy den libyschen Aufstand steuerte
von Franco Bechis, Libero v. 23.3.2011

Der folgende Text wurde am 23. März in der rechten italienischen Tageszeitung “Libero” veröffentlicht. Er berichtet von frühen intensiven Kontakten zwischen libyschen Dissidenten und der französischen Regierung unter Nicolas Sarkozy, französischen Geheimdiensten und Militärs im Herbst letzten Jahres. Die Libyer sind zu diesem Zeitpunkt noch in führenden Positionen im Staat, stellen aber, dem Autor zufolge, die Verbindung zu den späteren Aufständischen im Ostteil Libyens her und bereiten – so die dann naheliegende Vermutung – die Revolte in Bengasi (mit) vor.
Der “Libero” ist allerdings eine problematische Quelle, da das Sensations-Blatt schon mehrfach bei Kampagnen gegen Berlusconi-Gegner mit gefälschten Informationen gearbeitet hat (mehr dazu bei Wikipedia). Die Story jedoch klingt durchaus plausibel, man wird aber schauen müssen, ob sie sich durch andere Quellen bestätigen lässt.

In Italien erstaunt diese Enthüllung allerdings wohl kaum jemand, hier kursiert der Spruch: “Frankreich bekommt das Öl, England die Militärbasis und Italien die Flüchtlinge.”

Update: Ich habe Auszüge aus dem zitierten Maghreb Confidential zusammengestellt, die vieles bestätigen.
WSWS hat die Story auch aufgegriffen und bringt noch ein paar zusätzliche Informationen – u.a. aus Jeune Afrique – dazu.

Continue reading “Libero: Wie Sarkozy den libyschen Aufstand steuerte – Updated”

Libyen: Truppen-Aktivitäten und Manöver der NATO deuten auf Interventionsvorbereitung vor dem Aufstand hin


Libyen: Alles Zufall?
von Heinz Eckel (Berlin), 29.03.2011
Nach einem Augenzeugenbericht (veröffentlicht in der FAZ vom 24.3) sollen bereits v o r Beginn der Auseinandersetzungen in Libyen dänische Kampfjets für den Einsatz in Libyen geübt haben (s. Anhang).

F.A.Z., 24.03.2011, Nr. 70 / Seite 34

Zufall?

Zu “Nato will Flugverbot durchsetzen” (F.A.Z. vom 19. März): Ich lebe in Zürich und Grosseto, wo sich einer der drei wichtigsten Luftwaffenstützpunkte Italiens befindet. Ich war bereits daselbst, weil ein Freund dort arbeitet, und hatte sogar das Vergnügen, in einem Eurofighter Platz zu nehmen.

Vor über einem Monat – noch bevor in Libyen der Konflikt ausbrach – war ich wieder einmal Flugzeug schauen, als plötzlich einige dänische F16 dort landeten. Ich habe auch ein Büro in der Nähe und sah diese Gastflugzeuge morgens und auch nachmittags zu Trainingsflügen starten. Ein anderer Freund sagte mir, dass er von einem Angestellten des Flughafens gehört habe, dass die Dänen hier für Libyen übten. Ich verstand das damals nicht. Nun stehen genau diese dänischen Jets in Sigonella, um an der Allianz gegen Gaddafi teilzunehmen. Ich kann nicht an Zufall glauben.

Manfredo Crivelli, Baar, Schweiz

In diesem Zusammenhang stellen sich noch weitere Fragen zur Militärintervention in Libyen:
1.) wieso liefen bereits am 15. Februar – also kurz vor dem Beginn des Aufstands am 17. Februar – drei deutsche Kriegsschiffe (2 Fregatten, 1 Einsatzgruppen-Versorgungsschiff) zu einem “praxisnahe(n) Einsatz” “in Richtung Süden. Mit Kurs Mittelmeer” aus? (siehe: Der zweite Törn läuft, Presse- und Informationszentrum Marine, 22.02.2011 )
“Ein” Auftrag dieses Flottenverbandes stellte nach Angaben der Bundeswehr die “praxisnahe Ausbildung der OA” (= Offiziersanwärter) dar – über die anderen Aufträge schweigt sich die Bundeswehr aus. Allerdings schreibt sie:

“Die gesamte Ausbildung orientiert sich an den aktuellen und zukünftigen” (!) “Einsätzen der Marine” (ebd.)

Und noch ein Hinweis findet sich in dieser Mitteilung der BW: “Den Höhepunkt bildet dabei die Übung NOBLE MARINER 2011, an der 18 Schiffe aus sechs Nationen teilnehmen werden”.
Zum Ziel von “Noble Mariner” erklärt die NATO selbst:

“Sie werden darin trainiert werden, wie man reale Operationen ausführt – beispielsweise humanitäre und Katastrophen-Hilfe, gemeinsam mit der Bereitstellung von Sicherungs- und Hilfsmaßnahmen zur Stabilisierung einer Situation oder Krise” (s. Exercise Noble Mariner 2011 Home Page der NATO )

Bei dem beschriebenen deutschen Marine-Einsatzverband handelt es sich um die gleichen 3 Kriegsschiffe, zu deren Einsatz das Bundesverteidigungsministerium am 24.3. wie folgt zitiert wird:

Zur Rettung deutscher Staatsbürger aus Libyen sind drei deutsche Marineschiffe auf dem Weg zur libyschen Küste. Es handele sich um die Fregatten „Brandenburg“ und „Rheinland-Pfalz“ sowie den Einsatzgruppenversorger „Berlin“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

(siehe:  Marineschiffe auf dem Weg zur Küste Libyens, Focus, 24.02.2011 sowie Daniel Neun, Deutsche Kriegsschiffe vor Libyen: Staatsparteien, Militär und Informationsindustrie decken Vorbereitung zum Angriffskrieg, 4. März 2011)
2.) wieso beschlossen bereits im November 2010 Frankreich und Großbritannien ein gemeinsames Manöver unter dem Namen “Southern Mistral” (“Südlicher Mistral”)? (s.: Southern Mistral 2011, CDAOA, 04 Mars 2011)


Logo des “Air Defence and Air Operations
Command” (CDAOA)

Als “Szenario” des Manövers wird offiziell Folgendes genannt:
In einem “imaginären Land” namens “Southland” (also “Südland”) soll “eine Diktatur” bekämpft werden, die “verantwortlich für einen Angriff auf Frankreichs nationale Interessen” ist.
“Frankreich trifft die Entscheidung, seine Entschlossenheit gegenüber SOUTHLAND (unter der Resolution Nr. 3003 des UNO-Sicherheitsrats) zu zeigen”, heißt es wörtlich in diesem offiziellen Szenario der französischen und britischen Streitkräfte (siehe: Scenario, CDAOA, 04 Mars 2011) )
Als Zeitraum wurde 2010 der 21.-25. März 2011 genannt (s.: Southern Mistral 2011, CDAOA, 04 Mars 2011)
Tatsächlich begann das Manöver aber schon am 15.3.2011 2011 (also 4 Tage vor Beginn der Luftangriffe auf Libyen am 19.3.); die französische Luftwaffe beglückwünscht sich (auf ihrer Homepage) dabei selbst, statt der sonst übliche 6 Monate nur 3 Monate für die Vorbereitung benötigt zu haben (s. Démarrage de l’exercice franco-britannique Southern Mistral, Armée de l’Air, 16/03/2011)
In diesem Manöver wurden u.a. die gleichen Flugzeugtypen – Mirage 2000D, N und C, Tornados GR4, Rafale sowie AWACS – eingesetzt, wie bei den jetzigen Luftangriffen auf Libyen (vergleiche dazu Assets Deployed, CDAOA, 15.2.2011 mit Libyen – Frankreich setzt Luftangriffe fort, Tagesspiegel, 19.3.2011 und mit Franco British Air Exercise: Southern Mistral 2011, ARRSE, 15-03-2011)

Logo der britisch-französischen Militärübung “Southern Mistral”
Laut offizieller Meldung der französischen Luftwaffe (vom 25.3.2011) wurde die Übung inzwischen “ausgesetzt” (s. Suspension of exercise Southern Mistral 2011, CDAOA, 25.3.2011) – es ist zu vermuten, dass sie in Wirklichkeit in den Ernstfall übergegangen ist.
Den “Höhepunkt” der Übung bildete übrigens ein Luftangriff namens “Southern Storm” (s. Démarrage de l’exercice franco-britannique Southern Mistral) – man kann sich fragen, ob die Namensähnlichkeit zur Operation “Desert Storm” – mit der der Angriff auf den Irak 1991 begonnen wurde – rein zufällig ist. Immerhin hatte die französische Luftwaffe vor kurzem erst “20 Jahre Desert Storm” gefeiert. s. Colloque : 20ème anniversaire de l’opération “Tempête du désert”
Auf französischen Websites wird denn auch die Frage gestellt, ob es sich bei diesem Zusammentreffen von Übung und Ernstfall um Vorsatz oder Zufall handelt. Während die Übung noch den Namen “Südlicher Mistral” trug (also nach einem Wind benannt wurde, der hauptsächlich in Frankreich weht), wurde der französische Teil des derzeitigen Angriffs auf Libyen “Opération Harmattan” genannt. Der Harmattan ist ein Wind, der von Ende November bis Mitte März in Westafrika (von der Sahara zum Golf von Guinea) weht.
3.) Am Abend des 18. März – also wenige Stunden vor Beginn der Angriffe auf Libyen – landeten zwei Bundeswehr-Transall-Maschinen sowie zwei britische Royal-Airforce-Maschinen ohne Erlaubnis in der libyschen Wüste, um britische und deutsche Staatsbürger auszufliegen. An Bord: hochspezialisierte Fallschirmjäger des Fallschirmjägerbataillon 373 aus Seedorf in Wüstenuniformen (“Operation Pegasus”, siehe:  Operation PEGASUS, YouTube-Bundeswehr, 08.03.2011 Bundeswehroperation Nafurah – Riskante Rettungsmission hinter feindlichen Linien, Spiegel, 28.2.2011, Retter in geheimer Wüsten-Mission, NORDSEE-ZEITUNG, 01.03.2011).
Dieses Fallschirmjägerbataillon hatte schon etliche Wochen zuvor den “Kampf gegen Aufständische sowie die militärische Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Krisengebieten” geübt; dies berichtet u.a. die “Bremervörder Zeitung” in einem Artikel vom 21.2.2011 (Soldaten üben Evakuierung)
Schon am 18.2. (!!), also nur ein Tag nach dem “Tag des Zorns”, der den Aufstand einleitete, stellte die Bundeswehr ein Video zu den Übungen dieser Fallschirmjägereinheit bei Youtube ein (s. http://www.youtube.com/watch?v=uHUKWhLRjww ).
Am Ende dieses Videos heißt es wortwörtlich:
“UND DER NEUE AUFTRAG – EINE MILITÄRISCHE EVAKUIERUNGSAKTION – WIRD SCHNELLER KOMMEN ALS GEDACHT”
Es fällt schwer, bei allen diesen Ereignissen an reine Zufälle zu glauben.


Sarkozy manovra la rivolta libica (“Wie Sarkozy die libysche Revolte steuerte”)
di Franco Bechis, Libero (Milano) 23.3.2011
Update: Es gibt nun eine deutsche Übersetzung.
Hier eine Zusammenfassung daraus:
Franco Bechis, der stellvertretende Direktor der italienischen Tageszeitung Libero, beschreibt in seinem Artikel, wie der persönliche Protokollchef Gaddafis, Nouri Mesmari (der Gaddafi seit 40 Jahren – mit einer 15jährigen Unterbrechung – gedient hat), bereits am 21. Oktober 2010 mit seiner Familie nach Paris gereist ist, nachdem er zuvor mit Dissidenten in Tunesien Kontakt aufgenommen haben soll.
Anlass bzw. Vorwand dieser Reise sei ein geplanter Krankenhausaufenthalt in Frankreich inklusive einer möglichen Operation gewesen, den er jedoch nie angetreten habe. Stattdessen habe er die ganzen Tage über Bedienstete der französischen Geheimdienste getroffen.
Am 18. November 2010 sei dann eine sehr merkwürdige Delegation nach Bengazi gereist: offiziell eine Handelsdelegation, in der sich aber auch mehrere als Geschäftsleute verkleidete französische Militärs befunden hätten. In Bengazi hätten sie einen Oberst der libyschen Luftwaffe, Abdallah Gehani, getroffen, der ihnen von Mesmari benannt worden sei.
Gehani habe außerhalb jeden Verdachts gestanden, aber Gaddafis Ex-Protokollchef (Mesmari) habe enthüllt, dass er bereit sei, zu desertieren, und dass er ebenfalls gute Kontakte mit den tunesischen Dissidenten habe.
Gaddafi habe aber von der Sache irgendwie doch Wind bekommen und habe einen internationalen Haftbefehl gegen Mesmari ausstellen lassen, der daraufhin in Paris politisches Exil beantragt habe. Dort habe er nach und nach Gaddafis Militärgeheimnisse aufgedeckt und sämtliche Details der diplomatischen und finanziellen Allianzen Gaddafis sowie die Zwistigkeiten und die vor Ort in Libyen vorhandenen Kräfte preisgegeben.
Außerdem habe er – schon im Dezember 2010 – drei andere Libyer (Farj Charrant, Fathi Boukhris und All Ounes Mansouri) in Paris empfangen, welche dann (nach dem 17. Februar 2011) zusammen mit Al Hadjii die Revolte gegen die Milizen Gaddafis in Bengazi angeführt hätten. Auch französische Staatsfunktionäre und leitende Mitarbeiter der französischen Geheimdienste seien bei den Treffen in Paris anwesend gewesen. So habe Frankreich schon Mitte Januar 2011 sämtliche Schlüssel zum Sturz Gaddafis in der Hand gehabt. Gehani (der libysche Luftwaffenoberst) habe dann die Revolte in Bengazi mit französischer Hilfe vorbereitet.
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Zusammenstellung der Informationen: Heinz Eckel (Berlin)