Kommentar zum Bundeswehreinsatz im Sudan, UZ vom 5. Mai 2023
Die Bundesregierung nutzte die schweren Kämpfe, die den Sudan erschüttern, für eine filmreife Evakuierungsmission. Zur Schlussszene waren Militärminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock zum Fliegerhorst Wunstorf geeilt, um die Rückkehr der Helden zu feiern. „Sie haben mehr als 700 Menschen das Leben gerettet“, rief ihnen Baerbock zur Begrüßung zu, den Eindruck erweckend, die 150 vor Ort eingesetzten Fallschirmjäger hätten die Leute unter Kugelhagel aus angegriffenen Gebäuden befreit.
Selbstverständlich ist es richtig, Menschen möglichst rasch aus Kampfgebieten herauszuholen, am besten unabhängig ihrer Nationalität. Ein Einsatz von Kampftruppen wäre dafür jedoch nicht nötig gewesen. Andere Länder, wie China, Indien oder Saudi Arabien hatten die Ausreise einer größeren Zahl von Staatsbürgern mit zivilen Kräften organisiert, vor allem während der zwischen der sudanesischen Armee und den „Rapid Support Forces“ vereinbarten dreitägigen Waffenruhe. Sie hatten dafür u.a. Schiffe entsandt und Busse zum Hafen organisiert.[1]
Auch die deutsche Evakuierungsoperation klappte erst, nachdem die Feuerpause weitgehend gehalten und die sudanesische Armee den von ihr kontrollierten Flugplatz Wadi Seidna zur Verfügung gestellt hatte.[2] [Von den Kämpfen aus der nahen Hauptstadt Khartum bekamen auf diese Weise die deutschen Einsatzkräfte, wie ein Feldjäger-Leutnant dem Spiegel berichtete, nur „dumpfe Geräusche“ mit. Zu schaffen hätte ihnen nur die Gluthitze im afrikanischen Land gemacht.[3]]
„Auf die Truppe können wir gemeinsam stolz sein“, tönte Pistorius in Wunstorf und deutete an, warum die Ampelkoalition, ein Expeditionskorps ins kriegsgeschüttelte Land geschickt und eine Verwicklung in die dortigen Kämpfe riskiert hatte, was sonst nur noch die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien taten.
Offensichtlich wollten sie so die blamable Evakuierungsaktion aus Afghanistan im Sommer 2021, nach dem hastigen Rückzug der US-Truppen, vergessen machen, und vor allem ‒ wie mit den Militäreinsätzen in Mali und bald in Niger ‒ den Geltungsanspruch Deutschlands als führende Militärmacht untermauern.
Die Ampel-Koalition hat sich den Einsatz nachträglich durch ein „robustes Mandat“ absegnen lassen, der nun mit bis zu 1600 Soldaten fortgesetzt werden kann. Die Bundestagsfraktion der Linkspartei stimmte ohne Not zu und beerdigte damit ihr bisheriges grundsätzliches „Nein“ zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Nachdem es bei der Abstimmung über das analoge Mandat zur Afghanistanaktion mit nur noch sieben Nein- gegen fünf Ja-Stimmen bei mehrheitlicher Enthaltung schon stark gebröckelt hatte, sprang nun die Mehrheit der Fraktion übers Stöckchen „Rettungseinsatz“ und rückte die Partei „Die Linke“ dem deutschen Militarismus ein Stück näher.
[1] Details on evacuation of Chinese nationals from Sudan unveiled, Global Times, 26.4.2023, Operation Kaveri: India starts evacuating citizens from Sudan, BBC, 25.4.2023
[2] Sudan-Evakuierungsmission der Bundeswehr abgeschlossen, Augen geradeaus!, 27.04.2023
[3] »Menschliches Drama« – Bundeswehrsoldat berichtet vom Sudan-Einsatz, Der Spiegel, 29.04.2023
One thought on “Militärmacht-Show: deutsches Expeditionskorps in den Sudan”