Kategorie: Afghanistan

Kurzer Prozess gegen die Aufklärung von 9-11

Ein rechtstaatliches Vorgehen hatte der einstige Hoffnungsträger Obama offenbar so wenig in Erwägung gezogen, wie Vorgänger George W. Bush. Obwohl Bin Laden offiziell als Drahtzieher für die Anschläge am 11.9.2001 gilt, haben die US-Behörden zu keiner Zeit versucht, ihn via Haftbefehl dingfest zu machen. Entweder hatten sie keine Beweise oder sie fürchteten das, was er erzählen könnte – vermutlich beides.
Durch die außergerichtliche Exekution Bin Ladens wird es nun auch kein Gerichtsverfahren geben, die die diesbezüglichen Vorwürfe prüft. Zudem wird, wie der Kölner Völkerrechts-Professors Claus Kreß richtig sagt, Gerechtigkeit für Verbrechen, und seien sie noch so schwer, „nicht durch summarische Hinrichtungen, sondern durch eine prozessförmige Strafe“ durchgesetzt.
Erst die Unterstützung der USA machte Bin Laden in den 1980er Jahren, als es gegen die Sowjetunion in Afghanistan ging, zur Führungsfigur vieler Mudschaheddin. Damals hat er vermutlich seine größten Verbrechen begangen, an Afghanen, die ein moderneres, fortschrittlicheres Afghanistan schaffen wollten.
Ein Bin Laden, der vor einem Gericht Rede und Antwort steht – das wäre der Super-Gau für Washington gewesen. Etwas anders als sein Tod kam daher nie in Frage.
Während die US-Bürger den Tod ihres Erzfeindes feiern, werden vermutlich viele Menschen im Mittleren Osten bei Racheaktionen dafür mit ihrem Leben bezahlen. Die US-Luftwaffe wird daraufhin mit ihren Killerdrohnen an irgendwelchen Verdächtigen Vergeltung üben und dabei auch wieder die zufällig Anwesenden massakrieren – auf dass die Spirale aus Terror und Gegenterror sich munter weiterdreht.
Sehr weit über die Zeit der Indianerkriege sind die USA anscheinend zivilisatorisch nicht gekommen. Der Rest der westlichen Welt hat sich, wie die Reaktionen in Europa – z.B. von Kanzlerin Merkel – auf den Lynchmord zeigen, schon sehr stark angepasst.

Wird Oberst Klein ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof?

Notfalls ist Oberst Klein ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof
Überraschend ist die Einstellung des Verfahrens gegen Oberst Klein nicht, die Bundesanwaltschaft, eine weisungsgebunden Behörde, agierte bisher schon stets im Interesse der Regierung. Inhaltlich ist die Einstellung allerdings keineswegs nachzuvollziehen, auch nicht Ihr Bericht und Kommentar dazu. Egal wie die „ministerähnliche Amtsfigur mit der Zuständigkeit für kriegsähnliche Zustände“ (Ossietzky 08/2010) den Bundeswehreinsatz in Afghanistan wertet, war der Bombenangriff am Kundus ein schweres Verbrechen.
Der Angriff auf die zwei gestohlene Lastzüge, die im Flussbett stecken blieben, war militärisch nicht notwendig und angesichts der Gefahr ziviler Opfer zu keinem Zeitpunkt verhältnismäßig.
Oberst Klein konnte auch keinesfalls, wie die Bundesanwaltschaft meint, „davon ausgehen dürfen, dass keine Zivilisten vor Ort waren“. Die Nähe des Dorfes und die auf Videos klar erkennbaren Personen, die an den Lastwagen Benzinkanister abfüllten und zum Dorf trugen, sprachen eindeutig dagegen. Auf alle Fälle waren Klein und seine Leute selbstverständlich verpflichtet, sich vor einem so folgenschweren Angriff durch eigene Aufklärung genauer zu vergewissern. Aber zum Rausgehen und Nachschauen waren sie zu feige.
Da selbst die wenig zimperlichen Einsatzrichtlinien der NATO einen Luftangriff in einer solchen Situation nicht gestatten, haben sie dann den Bomberpiloten arglistig eine unmittelbare Bedrohung vorgetäuscht. Als diese Klein mehrfach drängten, die Zivilpersonen vor Ort durch Überfliegen warnen zu dürfen, hat ihnen der schneidige Oberst dies ausdrücklich untersagt. Sein Ziel war es, wie er selbst zugibt, möglichst viele „Aufständische“ zu „vernichten“. Und dies ohne Rücksicht auf Zivilisten, da er, wie er in seinem Bericht an die NATO schrieb, überzeugt war, „nur Feinde des Wiederaufbaus zu treffen“.
Selbst im Krieg ist dies ein klares Verbrechen. Würde dieses Massaker, das über 140 Menschen tötete, ungesühnt bleiben, wäre es nicht nur ein Skandal, sondern geradezu eine Aufforderung an die Truppe noch rücksichtsloser vorzugehen, als bereits schon jetzt. Wer meint, im Krieg gäbe es halt Tote, sollte sich mal vorstellen, nicht Afghanen, sondern 140 Deutsche wären „kollateral“ durch Bomben zerfetzt worden.
Steht zu hoffen, dass die befassten Rechtsanwälte noch ein Verfahren gerichtlich erzwingen können. Sonst wäre dies ein eindeutiger Fall für den Internationalen Strafgerichtshof. Dieser wurde ja dafür geschaffen, aktiv zu werden, wenn die heimische Justiz unwillig ist, Kriegsverbrecher zu verfolgen.
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Guilliard,
Heidelberg

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Aus der Ruprik “Antworten” in Ossietzky 08/2010:

Karl Theodor zu Guttenberg. – Umgangssprachlich sagten Sie, könne man das, was in Afghanistan geschieht, Krieg nennen. Drücken Sie sich im Familienkreis umgangssprachlich aus? Im Amt dürfen Sie das offenbar nicht. Als ministerähnliche Amtsfigur mit der Zuständigkeit für kriegsähnliche Zustände haben Sie für wahrheitsähnliche Sprachschöpfungen krummzustehen. Sie sind jedoch in der glücklichen Lage, durch ihre intelligenzähnlichen Qualitäten vor verantwortungsähnlichen Konsequenzen geschützt zu sein.

Dirk Niebel spielt Neben-Militärminister

An RNZ-Redaktion

Dirk Niebel spielt Neben-Militärminister und sollte schleunigst seinen Hut nehmen
Viel Aufmerksamkeit scheint die RNZ dem nun ranghöchsten Politiker aus Heidelberg nicht zu widmen. Oder habe ich die von Agenturen verbreitete Meldung, Dirk Niebel wolle finanzielle Zusagen für Hilfsorganisationen in Afghanistan an ihre Bereitschaft zur Kooperation mit der Bundeswehr knüpfen, überlesen.
Als bei der Postenschieberei nach den Wahlen ausgerechnet Dirk Niebel das Entwicklungshilfeministerium zugeteilt bekam, schwante einem schon Böses. Und er enttäuschte leider nicht. Da der frühere Fallschirmjäger ein Ministerium bekam, das er eigentlich abschaffen will, beeilte er sich daraus ein zweites Militärministerium zu machen. „Deutsche Entwicklungshilfe“ will er nun dort konzentrieren, „wo wir auch militärisch Verantwortung tragen“, auf Deutsch Krieg führen.
Das Bemühen, durch „zivil-militärische Zusammenarbeit“ mehr Akzeptanz bei den Eingeborenen für die westliche Vorherrschaft im Land zu erreichen, ist nichts Neues. Viele staatliche und halbstaatliche Organisationen aus den NATO-Ländern arbeiten seit langem mit den Besatzungstruppen zusammen – wenn auch mit magerem Erfolg. Den unabhängigen Hilfsorganisationen, die aus Prinzip und Selbstschutz eine solche Verquickung von humanitärer Hilfe und Aufstandsbekämpfung ablehnen, mit der Sperrung der Hilfsgelder zu drohen, hat sich bislang aber noch keiner getraut. Mit seinen Bestrebungen, Entwicklungshilfe weitgehend zu militarisieren, hat sich Niebel für sein Amt endgültig disqualifiziert.
Wir in Heidelberg müssen uns zudem fragen, warum sich gerade in unserer Stadt militaristische Politiker so konzentrieren: neben Fallschirmjäger Niebel sind wir ja u.a. auch noch mit dem Rüstungslobbyisten Karl. A. Lamers und einem OB geschlagen, der keine Mühen und städtische Mittel scheut, um die örtliche Kriegsbasis der USA in der Römerstraße zu erhalten. Auch in dieser Hinsicht muss offensichtlich mehr fürs Klima getan werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Guilliard,
Heidelberg, 29.12.2009

Verantwortliche für Kundus-Massaker bestrafen – updated

Alle Verantwortlichen für das Kundus-Massaker müssen bestraft werden.
Über die Diskussion, in welchem Ausmaß Kanzlerin und Verteidigungsminister Informationen zurückhielten, um sich über die Wahlen zu retten, droht der viel wichtigere Punkt, die Tat selbst, aus dem Blick zu verschwinden.
Unabhängig davon, wer wann was erfahren hat und ob man von Krieg, kriegsähnlichen Zuständen oder Stabilisierungseinsatz redet: die Bombardierung einer Menschenmenge in der sich Zivilisten befinden, ohne diesen durch eine Vorwarnung die Möglichkeit zu geben, sich zu entfernen, ist in jedem Fall ein schweres Kriegsverbrechen.
Der kommandierende Oberst Klein handelte aber sogar mit dem erklärten Vorsatz, möglichst viele „Aufständische“ umzubringen. Und dies ohne Rücksicht auf Zivilisten, da er, wie er in seinem Bericht an die NAO schrieb, überzeugt war, „nur Feinde des Wiederaufbaus zu treffen“. Er handelte somit in der typischen Logik von Besatzungstruppen, für die sehr bald die gesamte Bevölkerung, die die gegnerischen Kämpfer deckt, zum Feind wird.
Wäre es um die Tanklaster gegangen, so wäre es wohl kaum ein Problem gewesen, mit der dem Oberst zur Verfügung stehenden Zahl von Soldaten sowie zwei Kampflugzeugen, die Zivilisten zu verjagen und die Räuber unschädlich zu machen. Es ist daher Unfug, wenn Karl. A. Lamers die angebliche Gefahr von rollenden Bomben ins Spiel bringt. Offensichtlich hatte die Truppe die Laster durch die Luftüberwachung ständig im Blick und hätte sie im Ernstfall zu jeder Zeit zerstören können.
Unfug ist es auch, nun die Verunsicherung deutscher Offiziere zu beklagen. Wer nicht weiß, dass man nicht auf Zivilisten schießen darf, selbst wenn politische Gegner darunter sind, dem sollte man kein Gewehr in die Hand geben und noch weniger den Oberbefehl über moderne Vernichtungswaffen.
Oberst Klein muss vor Gericht und alle, die ihn vor Ort dabei berieten, ihm zuarbeiteten, ihn drängten etc. ebenfalls. Da die Offiziere sich durch eine, von der Bundesregierung angeordneten, neuen Eskalationsstufe im Krieg gegen Taliban & Co. ermutigt gefühlt haben dürften, die auch vermehrt gezielte Tötungen von Gegnern vorsieht, müssen sich Kanzlerin Merkel, Franz-Josef Jung und der damalige Kanzleramtschef Thomas de Maizière gleichfalls vor Gericht verantworten.
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Guilliard

Mit 100.000 Soldaten gegen 100 al-Qaida-Kämpfer?

Mit anderen Worten, der neue Kriegsherr und künftige Friedensnobelpreisträger erklärt seinen Leuten allen Ernstes, er verdreifache die Zahl der US-Truppen auf 100.000, um 100 Gegner unschädlich zu machten. ABCNews hat nachgerechnet: Läßt man die NATO-Truppen außer Acht, so sind das 1000 GIs und jährlich 300 Millionen Dollar pro al-Qaeda-Mann.
Wenn dem so wäre, so könnten sich die al-Qaeda-Leute bequem zurücklegen. Da müssen andere Terroristen ziemlich lang werkeln, um so einen Schaden anzurichten.

Afghanistaneinsatz der Bundeswehr – Jenseits des Rechts – Offener Brief an MdBs



Abstimmung über Fortsetzung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr

Bundesrichter Deiseroth: Afghanistaneinsatz der Bundeswehr – Jenseits des Rechts

Offener Brief an die Heidelberger Bundestagsabgeordneten Lothar Binding (SPD), Karl A. Lamers (CDU), Dirk Niebel (FDP) und Fritz Kuhn (Grüne)

Heidelberg, den 01. Dezember 2009

Sehr geehrte Herren Abgeordnete,
Sie müssen in Kürze erneut über eine Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan entscheiden. Ich möchte Sie hiermit dringend bitten, diesmal der Vernunft und dem Mehrheitswillen der Bevölkerung zu folgen und mit Nein zu stimmen.
Auch Sie müssten doch – nach den Nachrichten der letzten Monate – daran zweifeln, dass der Krieg in Afghanistan sinnvoll ist, selbst nach Ihren eigenen Maßstäben.
Die ohne Vorwarnung erfolgte Bombardierung der im Kundus stecken gebliebenen Tanklastzüge hat doch schlaglichtartig gezeigt, wie brutal dieser Krieg auch von deutscher Seite geführt wird. Die folgende Vertuschungsversuche von Armeeführung und Verteidigungsministerium weisen zudem auf den immanenten Widerspruch von Krieg und Demokratie hin: Krieg ließ sich noch nie führen, ohne die Bevölkerung über die wahren Kriegsgründe und -ziele zu täuschen und die Folgen der Kriegshandlungen zu verschleiern.
Die jüngste Wahlfarce in Afghanistan wiederum, mit der ein vom Westen eingesetzter Präsident erneut im Amt bestätigt wurde, entlarvte, wie dünn und brüchig die demokratische Fassade im Protektorat ist. Die Weigerung von über 70% der Wahlberechtigten sich zu beteiligen, zeigt deutlich, dass man der afghanischen Bevölkerung auch mit noch so vielen Truppen, Panzern und Bombern kein pro-westliches Regime aufzwingen kann. Und schließlich ist der jüngste Bericht von UNICEF, der Afghanistan als schlimmsten Platz auf der Welt für Kinder ausweist, ein weiterer Beweis dafür, dass auch von einem materiellen Wiederaufbau des Landes keine Rede sein kann.
Der Krieg in Afghanistan ist jedoch nicht nur brutal und kontraproduktiv, zumindest gemessen an den offiziellen Zielen: Der Einsatz der Bundeswehr dort steht, wie Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, schlüssig darlegt, auch außerhalb des deutschen und internationalen Rechts.
Ich möchte Ihnen daher – bevor Sie aus Gründen der Staatsräson, der Bündnistreue oder schlichter Parteidisziplin – trotz allem einer Mandatsverlängerung zustimmen, dringend raten, den in der Frankfurter Rundschau abgedruckten Beitrag Deiseroths aufmerksam zu studieren. (Dieter Deiseroth, „Deutschlands ‚Kampfeinsatz‘ – Jenseits des Rechts“, Frankfurter Rundschau, 26.11.2009)
Deiseroth stellt zunächst fest, dass es völker- oder verfassungsrechtlich ohne Bedeutung ist, wie die deutsche Regierung den Einsatz in Afghanistan nennen möchte, ob „Stabilisierungseinsatz“ oder „kriegsähnlich“ oder „Krieg“. Das sog. humanitäre Völkerrecht verwendet bewusst nur den allgemeinen Begriff des „bewaffneten Konflikts“.
Das Grundgesetz lässt, so Deiseroth weiter, durchaus eine Ausweitung des Verteidigungsbegriffs über die pure Verteidigung der Landesgrenzen zu, selbstverständlich aber nicht beliebig: Es „ist davon auszugehen, dass ‘Verteidigung‘ im Sinne des Grundgesetzes alles das umfasst, was nach dem geltenden Völkerrecht zum Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta) gehört …“  
Art. 51 UN-Charta begrenzt bekanntlich das Recht zur „individuellen“ und zur „kollektiven Selbstverteidigung“ auf einen „bewaffneten Angriff“ und auch nur so lange, „bis der Sicherheitsrat (der UNO) die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“
Der Einsatz der Bundeswehr ‚zur Verteidigung‘ ist mithin in diesen Grenzen ausschließlich als Abwehr gegen einen ‚bewaffneten Angriff‘ erlaubt, jedoch nicht etwa zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer, politischer oder geostrategischer Interessen“ so der Bundesrichter weiter:

Ziele, wie zum Beispiel Behinderungen beim Zugang zu Bodenschätzen, zu Ölpipelines oder zu Absatzmärkten zu beseitigen oder gar politische und wirtschaftliche Einflusszonen zu schaffen und zu sichern, berechtigen ebenso wenig zu militärischer Gewaltanwendung in Gestalt individueller oder kollektiver Selbstverteidigung wie die Wahrnehmung der wichtigen Aufgabe der Bekämpfung von individueller, organisierter oder terroristischer Kriminalität.
Auch wenn es sehr mühsam und schwierig ist, terroristische, also kriminelle Täter zu ermitteln, vor Gericht zu stellen und den Nachweis ihrer individuellen Schuld zu führen, rechtfertigt dies nicht, diese Schwierigkeiten dadurch zu umgehen, dass man stattdessen auf unilaterale militärische Schläge, auf die „gezielte Tötung“ (“targeted killing”) von Tatverdächtigen oder gar auf militärische Vergeltungs- und Bestrafungsaktionen gegen Länder setzt, in denen sich Tatverdächtige aufhalten oder aus denen sie stammen.
Der nach dem 11. September 2001 von der US-Regierung unter Präsident Bush jun. und ihren Verbündeten begonnene und bis heute andauernde Krieg in Afghanistan ist dafür ein bedeutsames und folgenschweres Negativ-Beispiel.

Für Deiseroth, wie für die meisten anderen unabhängigen Völkerrechtler, rechtfertigten die Anschläge vom 11.9. keinen militärischen Angriff:

Soweit man weitere Tatverdächtige oder Hintermänner in Afghanistan vermutete, hätte man – bei Vorliegen entsprechender konkreter Beweise – ihre Auslieferung betreiben müssen, um sie vor Gericht zu stellen.

Die meisten überlebenden mutmaßlichen Mittäter wurden jedoch gar nicht in Afghanistan, sondern beispielsweise in Saudi Arabien oder Hamburg ausgemacht. Deiseroth weist daraufhin, dass das FBI z.B. keine stichhaltigen Beweise für die Beteiligung von Bin Laden an den Anschlägen vorliegen hatte. Die Authentizität der Bekenntnisse Bin Ladens in Video-Botschaften wiederum ist sehr umstritten ist.
Im Unterschied zu den Militäreinsätzen im Rahmen von Operation Enduring Freedom (OEF) gibt es für die Kampfeinsätze im Rahmen der “Internationalen Sicherheitsunterstützungs-kräfte” (Isaf) ein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Doch auch da ist, so Deiseroth zutreffend, die Legitimation äußerst dürftig:

Allerdings muss man feststellen und zur Kenntnis nehmen, dass das Petersberg-Abkommen, dessen Umsetzung die Isaf-Einsätze dienen sollten und sollen, in seiner demokratischen und völkerrechtlichen Legitimation sehr zweifelhaft ist. Das resultiert bereits aus der höchst einseitigen Festlegung des Teilnehmerkreises sowie aus den inhaltlichen Vorgaben dieses Abkommens und seiner tatsächlichen Umsetzung in Afghanistan.

Deiseroth moniert die geringe Beteiligung der UNO an den Prozessen in Afghanistan sowie die Dominanz der Besatzungsmächte und der mit ihnen verbündeten Warlords aus der „Nordallianz“ durch die dem größten Teil der Bevölkerung die Mitsprache von Anfang an verwehrt wurde:

Die „handverlesenen“ afghanischen Teilnehmer der Petersberg-Konferenz wurden ungeachtet dessen von deren Organisatoren, insbesondere von der US-Administration und der deutschen Regierung, als „Verwalter“ der afghanischen Souveränität dargestellt und als berechtigt ausgegeben, ein völkerrechtliches Dokument („Petersberger Abkommen“) zu unterschreiben und außerdem eine Übergangsregierung zu schaffen, obwohl sie hierzu von der afghanischen Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt ermächtigt oder legitimiert worden waren.
Die Interimsregierung wurde dann auf Druck der USA und auch des damaligen deutschen Außenministers Joschka Fischer von dem US-Wunschkandidaten, dem ehemaligen Mudschaheddin und Feudalherrn Hamid Karsai, gebildet.
[…] Das Ergebnis war, wie es der US-Wissenschaftler Barnet R. Rubin formulierte, eine afghanische Regierung, „kreiert in Bonn, die auf der Macht der Warlords beruhte.“

Den folgenden politischen Prozess überschreibt Deiseroth treffend mit „Demokratie als Farce“ und kommt schließlich zu folgendem Schluss:

Fest steht jedoch eines: Um eine “Verteidigung” der Bundesrepublik Deutschland am Hindukusch geht es dabei, allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz, jedenfalls nicht. Eine grundlegende politische Neubewertung der andauernden ausländischen Militärintervention(en) in Afghanistan ist überfällig.

Dem ist nichts hinzuzufügen.
Mit freundlichen Grüßen,
Joachim Guilliard
Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg

“Die Nato: Bedrohung für den Rest der Welt”


„Die Nato war stets eine Bedrohung für den Rest der Welt“
Joachim Guilliard
Rede auf der Afghanistan-Demo Stuttgart 28.11.2009
Der brutale Charakter des Krieges in Afghanistan scheint mittlerweile ja immer häufiger durch, siehe die von der Bundeswehr angeforderte Bombardierung der Tanklaster im Kundus.
Eine Schwierigkeit bei der Mobilisierung bleibt aber noch. Die tatsächlichen Interessen hinter dem Krieg sind schwer zu greifen, schwerer als z.B. beim Krieg gegen den Irak, wo wirtschaftliche Interessen aufgrund dessen riesigen Öl-Reserven unmittelbar plausibel sind. Aber was ist in Afghanistan schon zu holen? Daher glauben immer noch viele, der Krieg in A. sei ein – evtl. fehlerhafter, ungeeigneter Maßnahme – zur Demokratisierung des Landes, zur Bekämpfung von Terrorgefahren etc. oder sind der Ansicht, Deutschland und andere Nato-Länder seien nur aus Vasallentreue zu den USA mit dabei.
Mit Aktionen, wie der heute, wollen wir daher auch klar machen, dass es für die USA wie auch für die Nato-Verbündeten selbst, in aller erster Linie um geostrategische Interessen geht. Wir haben es im Aufruf angedeutet: Afghanistan liegt an der Schnittstelle potentieller Energietransportwege und es grenzt an drei der riesigen Staaten, die die westl. Dominanz zukünftig in Frage stellen werden, neben Rußland als Nachfolger der einstigen 2. Supermacht sind dies die kommenden Großmächte China und Indien.
Außerdem hängt der Krieg in Afghanistan eng mit der Entwicklung der NATO zusammen. Es ist nach dem Überfall auf Jugoslawien bereits der zweite große Krieg des Militärbündnisses seit Wegfall des Gegengewichts im Osten.
Hier sollten wir zunächst eines klar stellen. Die NATO hat nicht etwa einen unglückseligen Wandel von einer Verteidigungsallianz zum Aggressionsbündnis vollzogen, der, wie auch einige Linke und Friedensbewegte meinen, evtl. wieder korrigierbar wäre, Nein, die Nato war nie ein Verteidigungsbündnis gewesen. Als die Org. gegründet wurde hatte sie gar keinen Feind.
Selbst der „Vereinigte Stab“ der US-amerikanischen Geheimdienste war [in einer Studie Anfang] 1945 zum Schluss gekommen, dass die Sowjetunion (SU) weder die Fähigkeit noch den Willen zur Konfrontation mit den USA und ihren Verbündeten habe, sondern sich vielmehr auf den Wiederaufbau konzentrieren müsse und daher alles daransetzen werde‚ um Nachkriegskonflikte zu vermeiden.
Die USA und ihre Verbündeten waren sich aber bewusst, dass sie nur einen kleinen Teil der Weltbevölkerung umfassen, jedoch über den größten Teil des weltweiten Reichtums verfügen bzw. kontrollieren. Daher müsse man „ein Schema von Beziehungen erarbeiten“, das es ermögliche, „diese Position der Ungleichheit zu bewahren“, so George F. Kennan, der [als liberal und als Taube geltende] Theoretiker der Eindämmungspolitik gegen die Sowjetunion 1948 in einem Strategiepapier des US State Departments.
Die NATO sollte dabei international die Aufgabe übernehmen, wofür der bürgerliche, kapitalistische Staat im Innern sorgt: die Benachteiligten, Unterdrückten, Ausgeplünderten daran zu hindern, die ungleiche Verteilung von Reichtum und Einfluss zu ändern.
Die NATO sollte zudem verhindern, dass sich eine bittere Erfahrung für die imperialistischen Mächte wiederholt. Durch die zwei verheerenden Kriege, die sie gegeneinander geführt hatten, war der Teil der Welt, auf den sie unmittelbar Zugriff hatten, stark geschrumpft, nach dem ersten hatte Rußland, nach dem zweiten WK Osteuropa und China einen nichtkapitalistischen Weg eingeschlagen. Gemeinsames Ziel aller imperialistischen Staaten war zum einen natürlich diese Entwicklung wieder rückgängig zu machen. Durch das Bündnis sollte zudem aber auch die innerimperialistische Konkurrenz gebändigt werden. Nachdem die USA zur unanfechtbaren Vormacht aufgestiegen war, hatte sie dazu auch die nötige Autorität und Macht. [Ähnlich wie bei der Mafia, wo Auflehnung und Bandenkriege auch wenig gewinnbringend sind, solange ein mächtiger Pate als unangreifbarer Anführer und Schiedsrichter fungiert.]
Das ist nicht etwa ein alter Hut: Die Funktion der Nato als Instrument zur Sicherstellung einer verlässlichen militärischen Zusammenarbeit und einer einheitlichen Politik der westlichen, imperialistischen Mächte gegenüber dem Rest der Welt, zeigt sich z.B. 2003 sehr deutlich beim Krieg gegen den Irak. Die deutsche und die französische Regierung hatte diesen aufgrund konkurrierender Interessen bekanntlich offen abgelehnt. Dennoch stand die enge Zusammenarbeit der imperialistischen Mächte im Krieg und während der Besatzung nie in Frage. [Da auch Deutschland und Frankreich bei der militärischen Absicherung ihrer weltweiten Interessen auf die USA und die NATO angewiesen sind und sie auch ihre Einfluß nicht verlieren wollen, kam ein Ausscheren aus dem Bündnis nie in Frage.]
Lange Jahre stand zwar vor allem die SU im Visier. Im sog. kalten Krieg wurden mögliche Angriffsszenarien entwickelt, die auch den Einsatz von Atombomben beinhalteten. In diesem Zusammenhang stand auch der Nato-Doppelbeschluß über die Stationierung von Mittelstreckenraketen, Pershing II und Cruise Missiles, in Deutschland und anderen westeurop. Ländern als Teil einer Enthauptungsstrategie gegen die osteuropäischen Länder.
Stets war es der USA und der Nato aber auch darum gegangen, sich größere Spielräume beim Vorgehen gegen Befreiungsbewegungen und blockfreien Staaten zu verschaffen.
Das Netz von Militärbasen der NATO-Staaten – mit dem Schwerpunkt in der BRD – diente dabei als Basis bei den Kriegen gegen die, um ihre Befreiung kämpfenden Völker Afrika und Asiens. Die Nato unterstützte die USA z.B. auch aktiv in den Kriegen gegen Korea und Vietnam, sowie auch Portugal in Angola und Zimbabwe.
Nach dem Zusammenbruch der SU hatten die Nato-Staaten dann freie Hand für die Politik, die sie seit ihrer Gründung verfolgen. Es wurde nichts aus der „Friedensdividende“, die viele erhofften. Die Nato ging stattdessen nun daran, die neue, fast uneingeschränkte westliche Hegemonie militärisch abzusichern.
Zunächst benötigte sie dafür allerdings eine andere Legitimation. Die schuf sie sich, indem sie neue Risiken definierte, gegen die man sich verteidigen müsse: neben der „Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder „Terror- und Sabotageakte“ zählten sie dazu auch explizit die Zufuhr zu „lebenswichtigen Ressourcen“
Die NATO ist allerdings keinesfalls ein harmonisches Bündnis. Es gibt vielfältige Widersprüche, die Führungsrolle der USA wird von den anderen immer weniger akzeptiert und die EU baut teilweise parallel eigene Strukturen auf. Die Allianz muss also mit allen Mittel beweisen, dass sie die Rolle als Weltsheriff – im Interesse aller Mitglieder – auch ausüben kann. Daher darf sie in Afghanistan nicht scheitern.
Wir dagegen stellen fest: Allein schon die Existenz der Nato war stets eine Bedrohung für den Rest der Welt. Man kann sie nicht reformieren, man muß sie abschaffen.
Für die herrschenden Kreise der BRD erfüllte und erfüllt die Nato noch eine zusätzliche Rolle. Sie war von Anfang auch das Cover unter dem sich die BRD remilitarisieren und sich das wiedervereinigte Großdeutschland wieder zu einer „normalen“ Militärmacht entwickeln konnte, für die – wie unlängst der neue adlige Militärminister betonte – Kriegseinsätze zum Alltag gehört. Alle entscheidenden Schritte zur erneut kriegführenden Nation geschahen im Rahmen der NATO.
Unsere Forderung kann daher nur lauten: Deutschland raus aus der Nato.
Und als ersten Schritt fordern wir alle Auslandseinsätze zu beenden und vor allem: Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Einseitiges Gedenken an NineEleven

Über die Zahl der Opfer der Terrorkriege nach dem 11.9.2001

In den USA wurde wieder landesweit der knapp 3000 Menschen gedacht, die bei den Anschlägen am 11.9.2001 getötet wurden. Auch fast alle hiesigen Medien erinnerten daran. An die ungleich höhere Zahl von Opfer der Kriege, die die USA im Anschluß führten, erinnerte niemand. Continue reading “Einseitiges Gedenken an NineEleven”

Obama wiederholt bezüglich Afghanistan alte Bush-Propaganda

Wie unabhängige Experte immer wieder anmerken, stehen den NATO-Truppen in Afghanistan im wesentlichen nicht El-Kaida-Kämpfer gegenüber und auch nicht allein die Taliban, sondern zum größten Teil lokale Kräfte, die gegen eine – nicht zu Unrecht – als Besatzung empfundene Präsenz fremder Truppen kämpfen – nicht anders als früher gegen die britischen Kolonialtruppen oder die Sowjets. Und die Zahl der Kämpfer wächst mit jedem neuen Massaker an Zivilisten.
Wenn Obama und europäische Regierungen nun mehr Truppen nach Afghanistan schicken, so bedeutet dies vor allem eines: mehr tote Zivilisten und noch mehr Kämpfer – und für letztere auch mehr lohnende Ziele.
Der positive Verweis auf den Irak, wo die Truppenerhöhung, die sogenannte „Surge“ angeblich zum Erfolg geführt habe, geht fehl. Die Gewalt ging dort (vorerst) viel mehr aus internen Gründen zurück, insbesondere die Entstehung sunnitischer Stammesmilizen, die einseitige Waffenruhe Muqtada al Sadrs und der Vollzug von Vertreibungsaktionen. Dieser Rückgang ist zudem nur bedeutsam im Vergleich mit dem extrem hohen Niveau zuvor und die Situation ist noch längst unter Kontrolle – nicht umsonst liegt die Zahl der US-Truppen immer noch über der vor der „Surge“.
Auch im Irak bedeutete die mit der Truppenerhöhung verbundene Offensive zuallererst eine massive Eskalation des Krieges, vor allem in Bagdad. Die Zahl der Getöteten – Zivilisten wie Soldaten – kletterte zwischen Januar und Juni 2007 auf Rekordhöhen. Die Zahl der Flüchtlinge aus Bagdad, stieg nach Angaben der Internationalen UN-Organisation für Migration, IOM in der Zeit auf das Zwanzigfache. Wie Statistiken der US-Armee zeigen, sank der Anteil der sunnitischen Bevölkerung Bagdads von 35 auf 25 Prozent – als Folge der vorwiegend auf sunnitische Stadtteile gerichteten Angriffe sowie durch Vertreibungsaktionen schiitischer Milizen im Windschatten derselben.
Die meisten Flüchtlinge können bis heute nicht zurück. Die Bagdader Stadtteile sind durch vier Meter hohe, mit Stacheldraht bewehrte Mauern hermetisch voneinander getrennt. Wenn das ein Erfolgsmodell sein soll, na dann gut Nacht.
Joachim Guilliard,
Heidelberg