Es handelt sich dabei um einen bis zu 100 Kilometer breiten Streifen, der sich südlich der autonomen Region von der syrischen bis zur iranischen Grenze erstreckt. Er umfaßt Kirkuk sowie Teile von Mosul – überwiegend Gebiete mit klaren arabischen, turkmenischen und assyrischen Bevölkerungsmehrheiten. Dieser Streifen steht schon seit April 2003 weitgehend unter kurdischer Kontrolle, als Peschmergaverbände an der Seite der US-geführten Invasionstruppen einmarschierten.
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Besondere Bedeutung kommt dabei der Provinz um Kirkuk zu, in der das Gros der nordirakischen Ölressourcen liegt. Erst die Kontrolle dieser Ölvorräte würde den von den Barsani- und Talabani-Clans geführten Parteien eine solide wirtschaftliche Basis für die Unabhängigkeit ihrer kurdischen Region verschaffen.
Die Auseinandersetzung um Kirkuk hätte fast das neue Wahlgesetz und damit die Wahlen vom vergangenen Wochenende torpediert. Da sich die demographischen Verhältnisse in dieser Provinz seit 2003 massiv und unüberschaubar verändert haben, sollte ein Quotensystem allen Bevölkerungsgruppen eine Repräsentanz sichern, die ihrem traditionellen Bevölkerungsanteil entspricht. Dies scheiterte jedoch am kompromißlosen Widerstand der Kurden, die auch die Verwendung eines zweifelhaften neuen Wahlregisters durchsetzten. Dieses weist einen erstaunlichen Anstieg von 400.000 Wählern, die 2004 registriert wurden, auf 900.000 in diesem Jahr auf. (s. Iraq’s Uncertain Future: Elections and Beyond, International Crisis Group, 25.2.2010)
Die Kurdenparteien, die Verwaltung und Polizei Kirkuks kontrollieren, sorgen seit 2003 für einen großen Zustrom kurdischer Neubürger, während viele nichtkurdische Familien durch Schikanen und Terror vertrieben wurden. PUK und KDP rechtfertigen dies als »Wiedergutmachung« der angeblichen Vertreibungs- und Arabisierungspolitik Saddam Husseins. Im Rahmen des Krieges zwischen Kurden und irakischer Zentralregierung kam es zwar auch zu Vertreibungen, deren Ausmaß wird jedoch stark übertrieben. Nachforschungen des US-Historikers Dilip Hiro zufolge stellten Kurden nie mehr als ein gutes Drittel der Bevölkerung. Nachdem ab den 1930er Jahren zunächst kurdische Arbeiter in das wachsende industrielle Ballungsgebiet Kirkuk zogen, waren es ab 1960 Araber aus den ländlichen Gebieten des Südens. 1957 war die Mehrheit in der Stadt noch turkmenisch, 1977, also noch bevor Saddam Hussein irakischer Regierungschef wurde, stellten Araber 45 Prozent der Bevölkerung. (siehe Dilip Hiro, The Sarajevo of Iraq, ZNet, 22.7.2004)
Nicht nur die lokalen nichtkurdischen Bevölkerungsgruppen widersetzen sich den territorialen Ansprüchen der Kurden, auch die überwiegende Mehrheit der Iraker im Rest des Landes ist strikt gegen eine Abspaltung dieser Gebiete. Unterstützung erhielten PUK und KDP nur vom Obersten Islamischen Rat im Irak (ISCI), einer der beiden schiitischen Regierungsparteien, die eine ähnlich unabhängige schiitische Region im Süden anstrebt, sowie der Kommunistischen Partei des Irak. Letztere hat die Sezession des kurdischen Landesteils bereits seit langem vollzogen. Die KP Kurdistan-Irak trat bei den jüngsten Wahlen wieder in Allianz mit PUK und KDP an, deren Clans das Autonomiegebiet fest im Griff haben, und nicht etwa auf der fortschrittlichen Liste Goran (Wandel). [Diese, gegen die autoritären, korrupten Clanstrukturen ankämpfende Bewegung wurde zur ernsthaften Opposition zu PUK und KDP und erhielt bei den Provinzwahlen fast ein Viertel der Stimmen.] Die KP des übrigen Iraks, bisher als einzige nicht ethnisch-konfessionelle Partei im Kabinett Nuri Al-Malikis verblieben, ist auf einer eigenen Liste angetreten. Chancen auf einen Sitz im Parlament werden ihr nicht eingeräumt.